Medizin für die Lebenden und die Toten

Das Einsatzgebiet des Instituts für Gerichtliche Medizin Innsbruck (GMI) an der Medizinischen Universität ist breit.
Innsbruck Von Vaterschaftstests über die Aufklärung von Todesfällen, die Identifikation von Menschen und Tieren mittels DNA-Analyse und Drogenscreening bis zur epidemiologischen Untersuchung von Abwasser: Das Einsatzgebiet des Instituts für Gerichtliche Medizin Innsbruck (GMI) an der Medizinischen Universität ist breit. Seit Juli 2023 steht das Institut unter einer neuen Leitung: Elke Doberentz beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Vitalitätsmarkern von Brandopfern. „Es ist mein Ziel, für die verschiedensten rechtlichen Fragestellungen mikromorphologische Marker zu finden, die unmittelbar in die Routine einfließen können“, sagt sie.
Hitzeschockproteine
Ist ein Mensch in den Flammen umgekommen, oder war er möglicherweise schon vor Ausbruch des Feuers tot? Handelt es sich vielleicht um ein Tötungsdelikt, das verschleiert werden sollte? In Ermittlungen sind das wesentliche Fragen, die bei einer Obduktion zunächst oft nicht sicher zu beantworten sind. Doberentz hat sich mit ihren Kollegen daher auf die Suche nach einem aussagekräftigen Biomarker gemacht – und wurden bei der retrospektiven Untersuchung von mehreren hundert Fällen fündig: Das Team hat entdeckt, dass sich Hitzeschockproteine bei extremen Temperatureinwirkungen in den Organen von lebendigen Menschen – hauptsächlich in Nieren und Lungen – vermehrt bilden. „Bei Stress schützt sich die Zelle damit. Anhand von Proben, die bei der Obduktion entnommen und im Labor immunhistochemisch gefärbt werden, kann man diese Proteine sichtbar machen. Es ist ein sehr verlässlicher Marker, der anzeigt, ob eine Person zur Zeit des Brandausbruchs noch gelebt hat“, erläutert Doberentz. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bei Menschen, die schon vor Brandausbruch verstorben sind, keine Hitzeschockproteine mehr gebildet wurden. Mit ihrem Innsbrucker Team will die Expertin hierzu weitere molekularbiologische Untersuchungen anschließen. Außerdem ist die Gerichtsmedizinerin auch auf der Suche nach einem zuverlässigen Marker bei Erfrierungsopfern.
Im Institut sind derzeit sieben Ärzte beschäftigt, die gemeinsam mit Sektionsassistenten pro Jahr mehr als 600 Todesfälle aus Tirol und Vorarlberg untersuchten. Durchgeführt werden vor allem gerichtlich oder sanitätspolizeilich angeordnete Obduktionen, wenn der Verdacht auf eine nicht-natürliche oder zunächst unklare Todesursache zugrunde liegt.
Gewalteinwirkung
Außerdem kommen regelmäßig Lebende, die Opfer von Gewalteinwirkungen wurden, zur Dokumentation und Beurteilung von Verletzungen zur Untersuchung. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Herbert Oberacher werden im Rahmen des Abwassermonitorings die Abwässer von österreichweit mehr als 50 Kläranlagen auf die Belastung mit SARS-CoV-2, Influenza und RSV analysiert. Seit 2016 analysiert das Team auch jährlich die Abwässer von rund einer Million Menschen in Österreich und Südtirol auf Rückstände illegaler Substanzen (Cannabis, Kokain, Amphetamine und Methamphetamin), aber auch Alkohol und Nikotin.
Drug-Checking
Im toxikologischen Labor werden unter anderem Proben, die bei Obduktionen entnommen wurden, auf Gifte, Alkohol, Medikamente und Drogen untersucht. Das Portfolio ist groß und umfasst alle gängigen Substanzen. „Aber auch Proben von Lebenden werden analysiert, und beispielsweise werden Blut und Urin auf Substanzen wie Alkohol, Suchtgifte oder Medikamente untersucht, deren Nachweis und Wirkung im menschlichen Körper im Zusammenhang mit einem strafrechtserheblichen Sachverhalt stehen.“ Zudem läuft am GMI seit mehreren Jahren mit dem Land Tirol das Pilotprojekt Drug-Checking, das im Jahr 2023 auch auf das Land Vorarlberg ausgedehnt wurde. Drogenkonsumenten können Substanzen in den Suchtberatungsstellen abgeben, deren Zusammensetzung am GMI untersucht wird.
Jährlich werden im akkreditierten Prüflabor unter der Leitung von Martin Steinlechner viele tausende DNA-Untersuchungen vorgenommen, die vom Vaterschaftstest über Spurenanalysen (nicht nur bei Tötungsdelikten, sondern beispielsweise auch Einbruchsspuren), Identifizierungen bis hin zu Speziesidentifizierung von Tieren reichen. Bereits seit 1997 ist das Institut das Österreichische DNA-Zentrallabor für die Nationale DNA-Datenbank des Innenministeriums für die Untersuchung von Proben (Mundhöhlenabstrichen und biologischen Tatortspuren) aus ganz Österreich.

