Der Tod als Disziplin der Lebenskunst

HE_Feldk / 07.05.2024 • 14:32 Uhr
Vortrag Wilhelm Schmid
Thomas Matt und Wilhelm Schmid freuten sich über das rege Interesse an dem Vortrag. BILDER:BI

Tiefsinniger Vortrag von Wilhelm Schmid zum Umgang mit dem Tod in der Reihe „Wissen fürs Leben“ der Arbeiterkammer Vorarlberg.

FELDKIRCH Thomas Matt von der Reihe „Wissen fürs Leben“, freute sich kürzlich sehr, den renommierten Autor und Philosophen Wilhelm Schmid begrüßen zu können. Er habe vor einem Jahr mit ihm telefoniert und sein neues Buch „Den Tod überleben. Vom Umgang mit dem Unfassbaren“ als Thema für einen Vortrag vorgeschlagen, woraufhin ihm dieser mit der bangen Frage, ob dies dem Publikum auch zumutbar sei, geantwortet habe. „Eine bessere Antwort als diesen Saal gibt es nicht“, verwies Thomas Matt auf die zahlreichen Interessierten im Veranstaltungssaal der Arbeiterkammer Vorarlberg. „Mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben“, zitierte Thomas Matt den St. Galler Mönch Notker Balbulus, im Beinamen „der Stammler“., der mit diesen Worten im 9. Jahrhundert einen gregorianischen Choral eröffnet haben soll. „Es ist wahr: Der Tod ist unser aller Lebensthema. Ob die Welt Bestand hat, welche Wendung der Krieg im Osten nimmt, was der Sommer bringt, wie unser Leben verlaufen wird – das wissen wir alle nicht. Aber dass wir eines Tages sterben werden, dessen sind wir gewiss“, sagte Thomas Matt. Aber auch der Zeitpunkt des Todes liege im Dunkeln, er könnte jetzt sein, in diesem Augenblick oder auch morgen, oder in zehn oder 15 Jahren. „So gibt uns die einzige Gewissheit unseres Lebens beständig Fragen auf. Und wir setzen alles daran, diese Fragen zu verdrängen, weil dies ja keiner aushielte. Aber immer wieder werden wir schmerzlich an die eigene Vergänglichkeit erinnert“, führte Thomas Matt den Gedankengang weiter aus.

Vortrag Wilhelm Schmid
Einen interessanten Vortrag gab es kürzlich bei der AK zu hören.

Die Unwägbarkeit des Todes

Wilhelm Schmid sei ein Philosoph der Lebenskunst. „Er ist vielen von uns mit seinen klugen Büchern etwa über das Glück, die Liebe, über die Lust und die Gelassenheit, über das Schaukeln als kleine Kunst der Lebensfreude zu einem treuen Begleiter geworden“, stellte Thomas Matt den Philosophen vor. Dessen aktuellstes Buch ist Astrid, seiner Frau, die am 24. Dezember 2021 im Kreis ihrer Familie einem Krebsleiden erlegen ist, gewidmet. „Die Erschütterung, die namenlose Trauer, die Wut und die Verlassenheit, die von denen Besitz ergreifen, die am Leben bleiben, indessen ein geliebter Mensch für immer die Augen schloss, verweigern sich jeder Beschreibung“, so Thomas Matt. Selbst gute Freunde wichen scheu Gesprächen mit Hinterbliebenen aus: „Jedes Wort scheint zu klein, jede Geste verfehlt und so umgibt den Tod und die am Leben gebliebenen oftmals ein großes Schweigen.“ Wilhelm Schmid habe dieses Schweigen durchbrochen: „In seinem Buch kleidet er den Umgang mit dem Unfassbaren in Worte. Er stellt all die bangen Fragen und wägt Antworten ab, schöpft Hoffnung und findet letztendlich sogar Zutrauen zum Tod – zum Tod als vielleicht der höchsten Disziplin der Lebenskunst.

Vortrag Wilhelm Schmid
Wilhelm Schmid bei seinem Vortrag.

Wilhelm Schmid betonte zunächst, wie sehr es ihm in Feldkirch gefalle, er freue sich jedes Mal, hierher zu kommen. Sein aktuelles Buch sei aus tiefer, eigener Erfahrung entstanden: „Jedes Wort, jeder Satz in diesem Buch ist mir wichtig. Ich habe darin Erfahrungen und Überlegungen zusammengetragen, die mir seit dem Tod meiner Frau durch den Kopf gehen. Es gibt heute mehr hilfreiches Wissen über Sterben und Tod als jemals zuvor.“ Sein Vortrag sei weltlich orientiert, denn er sei kein Theologe. Als Philosoph sei er sich ganz sicher, dass es ganz unterschiedliche Zugänge zur „Wahrheit“ gebe. Eine beliebte Methode bestehe darin, nicht über den Tod zu sprechen: „Er ist zwar kein Tabu mehr, aber für viele kein Thema. Die meisten Menschen wollen nicht im Bewusstsein des Todes leben, sondern sich möglichst uneingeschränkt des Lebens erfreuen.“ Dagegen spreche auch nichts: „Ein frohes, bewegtes, möglichst wild bewegtes Leben zu führen ist besser als ein tristes schon zu Lebzeiten. Ein gelegentlicher Wink vom Ende her ist dafür ein guter Ansporn.“ BI