„Über die Grenze“: Wie der Höchster Hilar Huber dem Todesurteil und KZ entronnen ist

Wehrmachtsdeserteur flüchtete zwischen 1941 und 1944 mehrmals – und starb in reifem Alter in Freiheit.
Bregenz, Höchst Die gemeinsame Reihe der VN-Heimat und des Jüdischen Museums Hohenems blickt heute auf eine abenteuerliche Serie an Fluchtgeschichten aus dem Projekt www.ueber-die-grenze.at. Im Zentrum steht der Vorarlberger Hilar Huber, der im Mai 1941 in Griechenland als Wehrmachtssoldat desertierte, bis nach Vorarlberg gelangte, sich letztlich aber doch im Gefangenenhaus Bregenz wiederfand, wo er nicht lange bleiben sollte.

Gebirgsjäger
Hilarius „Hilar“ Huber kam am 21. Oktober 1920 als siebtes von neun Kindern zur Welt und wuchs in Höchst auf. Nach der Beendigung seiner Schulausbildung hatte er weder die Chance auf eine Lehrstelle noch auf einen Arbeitsplatz, wie Meinrad Pichler bereits 2011 erstmals in seinem Beitrag zu Huber im Sammelband „Ich kann einem Staat nicht dienen, der schuldig ist …“ feststellte. Stattdessen musste er sich ab der Mitte der 1930er Jahre als Hilfsarbeiter durchschlagen und erlebte bald den sogenannten „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland sowie den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.

Im Oktober 1940 wurde der knapp 20-Jährige schließlich, wie viele andere junge Männer, zur Deutschen Wehrmacht eingezogen und beim Innsbrucker Gebirgsjägerbataillon zum Soldaten ausgebildet. Im Frühjahr 1941 folgte die Verlegung seiner Einheit an die Balkanfront, wo Hubers Fluchtserie Ende Mai seinen Anfang nehmen sollte. Er entfernte sich von seiner im griechischen Atalanti stationierten Truppe und schlug sich vorerst zu Fuß nach Skopje, der Hauptstadt des heutigen Nordmazedoniens, durch. Mit einem dort gekauften Fahrrad setzte er seine Route Richtung Norden fort und erreichte nach rund 1000 Kilometern den Bahnhof in Villach, wo er für die vorläufig letzte Etappe auf die Eisenbahnverbindung nach Vorarlberg wechselte.
Nach der Ankunft in Hohenems am Abend des 24. Juni 1941, lebte er zunächst für vier Wochen in seinem Elternhaus und meldete sich als vermeintlicher Wehrmachtsurlauber zur Arbeit. Erst einen Monat später wurde er am Arbeitsplatz bei einem Höchster Maurermeister als Deserteur verhaftet und in das Gefangenenhaus in der Bregenzer Oberstadt überstellt.
Flucht in die Schweiz
Am 26. August nutzte Hilar Huber, wie später in den Gerichtsprotokollen zu lesen sein wird, bei einem Hofspaziergang die Gelegenheit, sich über einen Mauersockel und ein Fenstersims bis zum Stacheldraht hochzuziehen, um auf der dahinterliegenden Seite, an „Schlinggewächsen“ entlang, ins Freie zu gelangen. Mit einem in Bregenz Vorkloster gestohlenen Fahrrad fuhr er abends bis zur Grenze nach Gaißau und durchschwamm daraufhin den Alten Rhein. In der Schweiz angelangt, verriet ihn jedoch bald sein dort lebender Onkel bei den Behörden, und so landete Huber bereits nach zwei Wochen wieder hinter Gittern.
Todesurteil
Auch in der Schweiz gelang Huber zwei Mal ein Gefängnisausbruch, ehe er, wiederum illegal, die Grenze zurück nach Vorarlberg überquerte und erneut verhaftet wurde. Huber wurde in Innsbruck der Prozess gemacht, wo er im März 1943 wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt wurde.
Doch dem Deutschen Reich gingen zu dieser Zeit die Soldaten aus, und so wurde das Strafmaß zehn Tage später auf eine 15-jährige Gefängnisstrafe reduziert, die er in einem Konzentrationslager bei Lingen im norddeutschen Emsland antreten musste. Es dauerte nur drei Tage, bis er erneut ausbrechen und – trotz zweimaliger Verhaftung unterwegs – über Kaufbeuren, das Lechtal, den Bregenzerwald und das Ebnit bis nach Altach fliehen konnte.
Endgültige Rückkehr
Bald darauf erneut auf Schweizer Boden, gelangte er bis nach Winterthur, ehe er wieder inhaftiert wurde. Sein letzter gelungener Ausbruch datiert auf den Jänner 1944, als er auf dem Weg nach Italien allerdings schon in Glarus in die Fänge der Landjäger geriet und die Zeit bis zum Kriegsende nun tatsächlich im Gefängnis verbringen sollte. Ohne großes Aufhebens aus der Haft entlassen, überquerte er im Mai 1945 die Brücke zwischen St. Margrethen und Höchst und kehrte damit endgültig nach Vorarlberg zurück. Er fand eine Anstellung als Bauarbeiter, heiratete in Lustenau und zog sich im Alter in eine Hütte im Lustenauer Ried zurück.
Hilar Huber starb 80-jährig im Jahr 2001. RAE