Klöppelspitzenfabrik Schallert in Nenzing: Ein Anfang mit Nadel und Faden

Heimat / 03.09.2025 • 09:51 Uhr
Die Klöppelspitzenfabrik Schallert um 1945 – ein industrielles Zentrum in Nenzing.  Fotos: Gemeindearchiv Nenzing
Die Klöppelspitzenfabrik Schallert um 1945 – ein industrielles Zentrum in Nenzing. Gemeindearchiv Nenzing

Eine kleine Stickerei entwickelte sich zur größten Klöppelspitzenfabrik Österreichs.

Nenzing 1884 legte Jakob Schallert mit einer kleinen mechanischen Stickerei in Nenzing den Grundstein für ein Unternehmen, das bald weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekannt werden sollte. Die Stickerei wuchs schnell – und mit ihr die Ambitionen der Familie. 1899 errichtete sein Sohn Ferdinand in der Parzelle „Nagrand“, an der heutigen Bahnhofstraße, eine große Schifflistickerei. Das neue Fabrikgebäude maß damals bereits 24 Meter Länge – und wurde 1907 um 13 und 1941 um weitere 14 Meter verlängert. Die Energie für die Maschinen kam nicht aus der Steckdose, sondern aus dem Wasser: Der Kanal der benachbarten Metallwarenfabrik Schatzmann wurde bis zum Turbinenhaus der Stickerei Schallert verlängert und versorgte den Betrieb mit Wasserkraft – eine frühe Form der nachhaltigen Energienutzung.

Der ehemalige Verwaltungsbau der Firma Schallert im Jahr 2013 – Zeugnis einer wirtschaftlichen Blütezeit.
Der ehemalige Verwaltungsbau der Firma Schallert im Jahr 2013 – Zeugnis einer wirtschaftlichen Blütezeit.

Zeichen eines Aufstiegs

Der Erfolg spiegelte sich auch im Stadtbild wider. Um 1908 ließ sich die Familie Schallert vom bekannten Architekten Hanns Kronberger ein repräsentatives Verwaltungsgebäude mit Jugendstilelementen entwerfen das noch heute in der Bahnhofstraße steht. Direkt daneben entstand 1922, nach Plänen von Willibald Braun, die sogenannte Villa Schallert: Ein bestehendes Wohnhaus wurde im eleganten Landhausstil umgebaut – ein stilistisches Bekenntnis zum Selbstverständnis der aufstrebenden Fabrikantenfamilie. 1925 wurde die Stickerei zur Klöppelspitzenfabrik umgebaut – mit einem Maschinenpark von 83 Klöppelmaschinen, dem größten seiner Art in Österreich vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Spitzenfabrik Schallert war auch Arbeitgeberin für viele Menschen in der Region – ein Industriebetrieb, der das Leben in Nenzing über Jahrzehnte mitprägte. Hier wurden feinste Spitzen in industriellem Maßstab produziert – filigrane Textilkunst, die traditionell von Hand gefertigt wurde, nun mit höchster Präzision maschinell.

Villa Schallert 2013 – einst Wohnhaus der Unternehmerfamilie, heute ein stiller Zeitzeuge vergangener Größe.
Villa Schallert 2013 – einst Wohnhaus der Unternehmerfamilie, heute ein stiller Zeitzeuge vergangener Größe.

Wandle und Stillstand

1967 wurde die Klöppelspitzenproduktion eingestellt. Die Fabrikgebäude blieben jedoch nicht ungenutzt: Die Firma Bürkert produzierte hier in den folgenden Jahren magnetische Ventile. Unter dem traditionsreichen Namen „Jakob Schallert & Söhne“ wurde weiterhin im Bereich Lohnstickerei gearbeitet – bis ins Jahr 2010. Der Handelsbetrieb bestand sogar noch bis 2012. In den 1970er-Jahren wurde das Fabrikgebäude zeitweise als Lebensmittelmarkt genutzt – eine pragmatische Zwischennutzung im Zeichen des wirtschaftlichen Strukturwandels. 1995 wurde das historische Fabrikgebäude abgerissen. Vom einstigen Produktionsstandort ist heute kaum etwas sichtbar. Und doch lebt die Geschichte der Klöppelspitzenfabrik Schallert in Nenzing weiter – in Erinnerungen, in den verbliebenen Gebäuden wie dem Verwaltungsbau und der Villa, und in der Geschichte der regionalen Industrie. Die Fabrik Schallert war ein Symbol für technische Innovation, wirtschaftlichen Aufstieg und die Fähigkeit einer Familie, aus einem kleinen Stickereibetrieb einen bedeutenden Industriebetrieb zu machen. Dass heute auf ihrem Gelände etwas ganz anderes steht, ändert nichts daran, dass dieses Kapitel zur Identität von Nenzing gehört.