Vom Friseur zum preisgekrönten Edelbrenner

Thomas Sturn aus Rankweil holt internationale Sortensiege für seine Destillate.
Rankweil Manchmal entstehen große Dinge aus kleinen Resten. Bei Thomas Sturn aus Rankweil war es der Rest Schnaps im Kessel, der ihm eine Tür zu einer neuen Welt öffnete. Früher stand er mit Schere und Rasiermesser im eigenen Friseursalon – heute steht er an der Brennblase. Und das mit so viel Feingefühl, dass seine Destillate inzwischen regelmäßig mit Goldmedaillen ausgezeichnet werden.
Viermal in Folge wurde Thomas Sturn bei internationalen Bewerben als Sortensieger prämiert – eine der höchsten Auszeichnungen für Schnapsbrenner. Mit seinem Gin, einem Zibartenbrand, einer Zwetschge und zuletzt einem Apfelbrand aus dem Eichenfass ließ er bis zu 200 Mitbewerber aus Italien, Deutschland, Ungarn und Österreich hinter sich. Die Jury in Schloss Walpersdorf war sich einig: Das ist ganz große Brennkunst.

Dabei nimmt sich Sturn selbst nicht allzu wichtig. “Ich hatte einfach das Glück, ein paar gute Brände zu machen”, sagt er bescheiden. Vielleicht ist genau das sein Erfolgsgeheimnis. Er muss nicht davon leben – und brennt trotzdem mit einer Leidenschaft, die man schmeckt. Geduld spielt dabei eine große Rolle. “Ich kann auf zehn Jahre alten Schnaps zurückgreifen. Wer wirtschaftlich denken muss, kann sich das oft nicht leisten.”
Dass sein Herz für das Handwerk schlägt, zeigte sich schon früh. Als Bub war er beim Vater wie selbstverständlich in der Brennerei dabei. Heute führt er das fort, was früher Teil des Lebens war. Auch sein Sohn Fabian hat die Liebe zum Schnapsbrennen entdeckt. Die Tradition lebt in einem Gebäude weiter, das einst als Limonadenfabrik diente: in Sturns Genuss-Keller in der Bahnhofstraße. Hier entstehen die edlen Tropfen.

Denn 2020 gründete Thomas Sturn gemeinsam mit Gleichgesinnten den Verein “Sturns Genuss-Keller – Kulturverein für handwerkliches Brauchtum”. Heute zählt er über 80 Mitglieder. Viele kommen aus Rankweil, aber auch aus anderen Ecken des Landes. Es sind nicht nur Brenner, sondern auch Genießerinnen, Drucker, Tonsetzer, Tüftler. Menschen, die das Zusammensein schätzen – und den ehrlichen Schnaps.
Im Zentrum steht dabei die Pflege alter Obstsorten, das Verständnis für die Herkunft und der Wunsch, das Wissen an die nächste Generation weiterzugeben. Der Verein organisiert Verkostungen, stellt neue Sorten vor und feiert am Jahresende stets eine große Versammlung – gemütlich, nicht steif.
Und was macht ein Friseur eigentlich im Ruhestand? Ganz loslassen will Sturn nicht. Für seine Frau Andrea, die heute den Salon führt, hilft er noch gelegentlich – besonders, wenn es um Perücken für Chemopatientinnen geht. “Ich weiß, wie schwer es ist, wenn man nicht weiß, wohin”, sagt er. Viele Kundinnen kennt er seit Jahrzehnten. Ob es jemanden gibt, der noch mehr Preise gewonnen hat? “Vielleicht. Ich weiß es nicht – und es ist mir ehrlich gesagt nicht so wichtig.” Für Thomas Sturn zählt nicht das Gold, sondern das, was im Glas passiert. Und das Strahlen der Menschen, wenn der erste Schluck den Gaumen trifft. VN-TK



