Hohe Kunst

Immo / 17.03.2016 • 07:59 Uhr
Hohe Kunst

Die höchstgelegene Kunsthalle der Alpen wurde vor Kurzem in St. Christoph am Arlberg eröffnet. Das ambitionierte Projekt versorgt Gäste am Arlberg mit kulturellem Programm und gibt dadurch dem „Après-Ski“ eine neue Bedeutung. Autorin: Julia Ess | Fotos: Petra Rainer

ast 1800 m über dem Meeresspiegel und direkt unter dem Arlbergpass gelegen, befindet sich der Fremdenverkehrsort St. Christoph. Prominent in dessen Mitte liegt der Gebäudekomplex des traditionsreichen Hospiz-Hotels, dessen Ursprünge bis in das 14. Jahrhundert zurückgehen. Als Schutzhütte errichtet, diente das Hospiz lange als Herberge und Gasthof für Reisende und wurde mit dem Aufkommen des alpinen Skisports und -tourismus‘ im 20. Jahrhunderts zum Hotel ausgebaut. Mittlerweile umfasst der Komplex neben dem 5-Sterne-Hotel weitere Gästehäuser mit luxuriösen Suiten und seit Kurzem auch eine unterirdische Kunsthalle mit Kammermusiksaal. Oberhalb der Kunsthalle entstanden zeitgleich zwei „Landhäuser“ mit insgesamt 17 Hotelsuiten, über deren Verkauf die Errichtung des Kulturbaus finanziert wurde. Hotelier und Unternehmer Florian Werner beschäftigt sich seit knapp zehn Jahren leidenschaftlich mit Kunst: aktiv als Künstler und passiv als Sammler und Mäzen. Bereits 2008 eröffnete er in seinem Hotel die „Hospiz Galerie“ für zeitgenössische Kunst und richtete ein Artist-in-Residence-Programm für junge Kunstschaffende ein. Die Idee, eine Ausstellungshalle und einen Musiksaal zu errichten, bildete sich langsam heran.

„Als ich 2008 begonnen habe, stand nicht am Ende der Reise die Kunsthalle von St. Christoph. Es war eigentlich eine zufällige Entwicklung“, erklärt Florian Werner „Es bestand nie die Notwendigkeit einer Kunsthalle, sondern es war ein Wunsch. Dann ergab sich die Möglichkeit – und die habe ich wahrgenommen.“ Nach einem langen Entwicklungsprozess mit mehreren Konzeptstudien erreichte das Projekt eine für den Bauherren „perfekte Größe“, die er als realistisch bespielbar betrachtet.

Oberirdisch zeigt der Neubau nur sein Dach, das aus der Erde wächst und eine Welle zum Haupthaus des Hotels schlägt. Die straßenseitige Fassade ist wellenförmig mit Rohstahllamellen verkleidet. Neben Tiefgaragenabfahrt und Anlieferungszufahrt liegt nach innen versetzt – und somit vor Schnee und Regen geschützt – der Haupteingang zum Kulturbau. Verglasungen erlauben an dieser Stelle Einblicke in die unterirdische Kunsthalle und den ebenerdigen Erschließungsbereich. Eine einläufige Treppe führt von hier aus hinab in das Foyer direkt auf Information und Kassa zu. Von der Rezep-
tion des Hospiz-Hotels gelangt man über einen unterirdischen Verbindungsgang ebenfalls direkt in das Foyer. Die große Ausstellungshalle, von Bauherr Florian Werner liebevoll „Kathe-
drale“ genannt, ist acht Meter hoch und soll mit halbjährlich wechselnden Schauen bespielt werden. Die Ausstellungsräume sind flexibel gestaltet und können unter anderem auch für Kongresse und Tagungen vermietet werden. Abgerundet wird das Raumprogramm durch Musik- und Kunstateliers für eingeladene Artists-in-Residence, die im Hotel wohnen und in den zur Verfügung gestellten Studios arbeiten können.

Die minimalistische Gestaltung der Räumlichkeiten rückt die Kunst in den Mittelpunkt. Dies wird durch eine zurückhaltende Materialwahl und Farbgebung erreicht: weiß gekalkte oder geölte Eiche, anthrazitfarbene Fliesen, betonfarbener Tonputz, weiße Wände und Decken – hell, unaufgeregt und klar. Mit seiner Holzverkleidung aus hellen Eichenlamellen erinnert der Konzertsaal an das Innere eines Schiffsbauchs. Oben schält sich die Galerie schwungvoll aus der Wandfläche heraus und geht auf der anderen Seite wieder in die Wand über. Die Decke folgt dem Verlauf des oberirdisch liegenden Daches. Die weichen, bewegten Formen stehen laut dem Tiroler Architekten Jürgen Kitzmüller für die Dynamik der Musik. Die Seitenwände des Konzertsaals wurden als dreidimensionale Konstruktion vollständig entkoppelt von den Massivbauteilen ausgeführt. „Die beiden frei schwingenden Schalen sind vollflächig aus Stahl und zusätzlich mit Gipsplatten verstärkt, um mehr Masse zu erhalten, die wir für die Akustik brauchen“, erklärt der Architekt den Raum als Resonanzkörper. „Die Wände tragen den Klang bis in die letzte Reihe, ohne dass dabei Tonqualität verloren geht.“ Die Bühnenwand ist reflektierend und wirkt wie ein Verstärker; die Rückwand ist absorbierend, schluckt also den Schall. Hier und im angeschlossenen Musikstudio finden regelmäßig Konzerte – von Klassik über Volks- und Popmusik bis zu Jazz – sowie Kabarett- und Literaturveranstaltungen statt. Ob das Konzept von Kunst und Kultur im Wintersportort aufgeht, wird sich zeigen. Hotelier Werner ist aber mehr als zuversichtlich: „Das ist eine neue Definition von Après-Ski. Es ist natürlich eine Entwicklungssache, es braucht Zeit und Durchhaltevermögen. Aber es wird werden, davon bin ich felsenfest überzeugt.“

Es gehört sicher Mut, aber auch Verrücktheit dazu, so etwas zu machen. Vor allem aber Leidenschaft.

Mit seiner Holzverkleidung aus hellen Eichenlamellen erinnert der Konzertsaal an das Innere eines Schiffsbauchs.

Mit seiner Holzverkleidung aus hellen Eichenlamellen erinnert der Konzertsaal an das Innere eines Schiffsbauchs.

Oben schält sich die Galerie schwungvoll aus der Wandfläche heraus und geht auf der anderen Seite wieder in die Wand über. Die Decke folgt dem Verlauf des ober-irdisch liegenden Daches.

Oben schält sich die Galerie schwungvoll aus der Wandfläche heraus und geht auf der anderen Seite wieder in die Wand über. Die Decke folgt dem Verlauf des ober-
irdisch liegenden Daches.

Der Konzertsaal spielt alle Stückchen. Ausgestattet mit moderner Licht-, Sound- und Videotechnik, ist er für Veranstaltungen jeglicher Art gerüstet. Selbst für Fernseh-Liveübertragungen stehen alle Anschlüsse bereit, ohne Kabel verlegen zu müssen.

Der Konzertsaal spielt alle Stückchen. Ausgestattet mit moderner Licht-, Sound- und Videotechnik, ist er für Veranstaltungen jeglicher Art gerüstet. Selbst für Fernseh-Liveübertragungen stehen alle Anschlüsse bereit, ohne Kabel verlegen zu müssen.

Eine einläufige Treppe führt vom Eingangsbereich hinab in das Foyer direkt auf die Information und die Kassa zu.

Eine einläufige Treppe führt vom Eingangsbereich hinab in das Foyer direkt auf die Information und die Kassa zu.

Hotelier Florian Werner bietet seinen Gästen in der neuen Kunst- und Musikhalle kulturelles Programm und definiert dadurch „Après-Ski“ neu.

Hotelier Florian Werner bietet seinen Gästen in der neuen Kunst- und Musikhalle kulturelles Programm und definiert dadurch „Après-Ski“ neu.

Die große Ausstellungshalle ist acht Meter hoch und soll mit halbjährlich wechselnden Schauen bespielt werden. Über die Verglasung gelangt Tageslicht in den unterirdischen Bau.

Die große Ausstellungshalle ist acht Meter hoch und soll mit halbjährlich wechselnden Schauen bespielt werden. Über die Verglasung gelangt Tageslicht in den unterirdischen Bau.

Eine zurückhaltende Materialwahl und Farbgebung schafft helle, ruhige Räume.

Eine zurückhaltende Materialwahl und Farbgebung schafft helle, ruhige Räume.

Die Ausstellungsräume sind flexibel gestaltet und können unter anderem auch für Kongresse und Tagungen vermietet werden.

Die Ausstellungsräume sind flexibel gestaltet und können unter anderem auch für Kongresse und Tagungen vermietet werden.

In der Dorfmitte befindet sich der Gebäudekomplex des traditionsreichen Hospiz-Hotels.

In der Dorfmitte befindet sich der Gebäudekomplex des traditionsreichen Hospiz-Hotels.

Zwei neue „Landhäuser“ befinden sich oberhalb der Kunsthalle. Der Verkauf der Luxussuiten finanziert den Kulturbau.

Zwei neue „Landhäuser“ befinden sich oberhalb der Kunsthalle. Der Verkauf der Luxussuiten finanziert den Kulturbau.

Unterirdischer Neubau Das Dach wächst aus der Erde und schlägt eine Welle zum Stammhaus.

Unterirdischer Neubau Das Dach wächst aus der Erde und schlägt eine Welle zum Stammhaus.