Ein Kraftort

Immo / 14.04.2016 • 17:03 Uhr
Ein Kraftort

Die Familie Troy lebt und arbeitet auf einem alten Bauernhof. Nach und nach wurde das Gehöft umsichtig an die Bedürfnisse und das Wachstum der Familie angepasst. Als vorläufig letzten Eingriff plante Architekt Juri Troy einen alten Stadel zu Büro und Schauraum für seine Schwester Katja um. Autorin: Isabella Marboe| Fotos: Petra Rainer

Milde lächelt ein Engel aus weißem Marmor Ankömmlingen entgegen und hebt freundlich seinen Arm zum Gruß. In der linken Hand hält er eine Feder. Er schmückte früher einen Grabstein und fühlt sich wohl an diesem Ort, wo der Tod nicht verdrängt wird und trotzdem alles lebt. 1979 haben Ingrid und Norbert Troy den Jägerhof, ein altes Gehöft in Hörbranz, entdeckt. Damals war es bereits einige Jahre leer gestanden und ziemlich desolat, doch der Steinmetz erkannte, dass dieser Ort für ihn wie geschaffen war und kaufte es. Liebevoll sanierte er das alte Rheintalhaus. An seiner Stirnseite im Süden steht der Engel, dahinter reihen sich im Norden ein ehemaliger Stall, ein Heuboden und eine lange Scheune aneinander. Er baute den Stall zur Werkstatt um, nutzte den Heuboden als Lager und einen Teil der Scheune als Atelier. Der Grundstreifen dahinter bietet noch Platz genug für alte Grabsteine, Lagerware und Findlinge, die Norbert Troy vorsichtig weiterbearbeitet, schleift und feilt, bis ihre Schönheit und ihr Wesen wirklich zur Geltung kommen. Seit 36 Jahren lebt und arbeitet die Familie Troy nun hier, das Gehöft und die Steinmetze vertrugen sich prächtig. Als Tochter Katja ein Kind erwartete, entwarf Juri Troy – damals noch Student – für die junge Familie einen Dachausbau auf der Scheune. Alle Familienmitglieder packten mit an und als dann die zweite Schwester Sandra Troy mehr Wohnraum brauchte, setzte Architekt Juri Troy ein schmales, langes Holzhaus an die westliche Grundgrenze: Es bildet mit der Scheune und dem Altbau nun einen geschlossenen Hof, um den gleichermaßen alle Wohnstätten von drei Generationen versammelt sind.

Die Begeisterung für schöne Steine und schmucke Schriften, die dem Gedenken von einem oder mehreren Menschen Fassung bieten können, übertrug sich auf die Tochter: Katja Troy wurde Steinmetzin und übernahm 2008 den elterlichen Betrieb. Bis dato hatten Kundengespräche im Wohnzimmer der Eltern stattgefunden, Nun aber sollten die beiden ihre Pension genießen können. „Wir wollten den Firmenteil vom Privathaus trennen“, so Juri Troy. „Ich brauchte ein separates Büro mit zwei Arbeitsplätzen und einen Schauraum, in dem ich meine Sachen präsentieren kann“, sagt Katja Troy. Außerdem einen Raum für Besprechungen. Also wurde der Teil des alten Heubodens, der unmittelbar an die Werkstatt angrenzt und bisher als Lager diente, ausgeräumt und von Juri Troy umgeplant. 3,60 Meter breit, 10,50 Meter tief und fast 5 Meter hoch liegt er etwas eingerückt zwischen Werkstatt, Vaters Atelier und Katjas Wohnung. Der Stadel ist etwa 150 Jahre alt, nur aus Holz und hat sehr viel Atmosphäre. „Die Wände waren noch in einem erstaunlich guten Zustand, der Heuboden aber schon sehr baufällig. Den haben wir rausgeschnitten,“ so Juri Troy. Sonst blieb außen möglichst viel von der Patina erhalten: Das alte Scheunentor, der sich an einer rostigen Eisenschiene erstaunlich leicht beiseiteschieben lässt, zeigt unmissverständlich, ob das Büro offen ist. Man betritt es durch eine helle, neue, holzgefasste Glastür, die schon den Blick ins Innere frei gibt. Hinter den beiden alten Holzläden, durch die man früher das Gras in den Heuboden hob, steckt nun ein neues Oberlicht: So fällt noch mehr Sonne in den langen, hohen Raum und man kann auch vom Büro aus zum Elternhaus schauen. Der ganze zweigeschoßige Raum mit der Galerie und der Brettstapeldecke aus Fichte wurde im Winter in Einzelteilen vorgefertigt, angeliefert und im Stadel als eine Art großes Möbel zusammengesetzt.

Der Raum ist optimal genutzt und sorgfältig geplant: Eine Granitschwelle markiert den Übertritt vom Garten ins Büro, der Boden im Erdgeschoß ist mit hellem, bruchrauhem Solnhofer Kalkstein gedeckt. Für betagte Kunden, für die der Weg die Treppe hinauf zu beschwerlich ist, gibt es rechts neben dem Eingang einen kleinen Klapptisch: Licht fällt von oben und durch die Tür herein, hier kann man sich in sehr angenehmer Atmosphäre besprechen. Dahinter führt ein langer Gang mit Seitentür zur Werkstatt bis zum Hinterausgang. Links gibt es hier noch zwei Toiletten mit Waschbecken aus Stein. In einer Flucht mit der Eingangstür aber führt eine robuste einläufige Treppe direkt nach oben. Ein 2,70 Meter hohes Regal begleitet den Weg: Es ist aus veredeltem Massivholz und in lauter 28 cm breite Segmente unterteilt, die Höhe der Regalböden ist variabel. Das warme Holz und die Steine, die präsentiert werden, harmonieren wunderbar. Katja Troy nutzt das Regal auch, um Grablaternen und Grabschmuck auszustellen – oder die bunten, schweren Turnschuhe aus Marmor, die sie fertigt. Im Bereich des Büros verbreitert sich das Regal um eine Ordnerbreite so schafft es dezent wertvolle Lagerfläche für Buchhaltung und Co. Die Bürogalerie reicht exakt bis zur Antrittstufe der ersten Treppe der zweigeschoßige Eingangsbereich mit der fast raumhohen Verglasung macht einen hellen, luftigen und großzügigen Eindruck. Von ihren Arbeitsplätzen können Katja Troy und ihr Lebensgefährte Thomas Nicolussi – ein gelernter Installateur, der aus Begeisterung und Liebe auf Steinmetz umsattelte – zum Elternhaus sehen – oder durch den Besprechungsraum hindurch über ihr Lager hinwegblicken. Als Tischplatte kam eine Granitplatte vom eigenen Lager namens „Mozart“ zum Einsatz, die sich in dieser Funktion sehr gut macht. Auch das Waschbecken an der Seitenwand – eine Steinschale in einer Nische aus beigem Kalkstein – sieht sehr edel aus. LED-Spots an der hohen Holzdecke sorgen für Vernissagengefühl. „Es war die beste Lösung“, ist Katja Troy überzeugt. Eröffnet wurde der Schauraum am 70. Geburtstag von Norbert Troy mit einer Ausstellung seiner Findlinge.

Ein Kraftort
Auf der Rückseite kragt der Besprechungsraum ein wenig aus und schützt so den Hintereingang vor der Witterung.

Auf der Rückseite kragt der Besprechungsraum ein
wenig aus und schützt so den Hintereingang vor der Witterung.

Ein Kraftort
Ein Kraftort
Zimmer mit Aussicht: Vom Besprechungsraum aus kann man sowohl zum Elternhaus als auch auf die Rückseite des Gartens blicken, wo viele Steine gelagert werden.

Zimmer mit Aussicht: Vom Besprechungsraum aus kann man sowohl zum Elternhaus als auch auf die Rückseite des Gartens blicken, wo viele Steine gelagert werden.

Ein Kraftort
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Viel Liebe zum Detail: In der oberen Ebene wird das Regal auch zum dezenten Stauraum für Aktenordner und Co.

Viel Liebe zum Detail: In der oberen Ebene wird das Regal auch zum dezenten Stauraum für Aktenordner und Co.

Ein Kraftort
Raum für Kreativität: Aus Marmor fertigt Katja Troy auch Turnschuhe.

Raum für Kreativität: Aus Marmor fertigt Katja Troy auch Turnschuhe.

Schutzengel: Dieser Himmelsbote aus weißem Marmor hat im Garten der Familie Troy eine neue Heimat gefunden.

Schutzengel: Dieser Himmelsbote aus weißem Marmor hat im Garten der Familie Troy eine neue Heimat gefunden.