In Szene gesetzt

Immo / 11.08.2016 • 10:42 Uhr
In Szene gesetzt

Keine aufgedrückten Stempel, jedoch individuelle Zitate finden sich in einem Einfamilienhaus in Schwarzach. Authentisch und unkonventionell rückt das Beleben der Räume in den Vordergrund, das Wohnen selbst wird zelebriert. Autorin: Catherine Sark| Fotos: Darko Todorovic

rägnant puristisch hebt sich die olivgraue Kubatur mit der grobkörnigen Fassade vom umliegenden Baubestand des Hanges ab. Klare geometrische Grundformen, Flachdach sowie eine reduzierte Materialpalette verleihen dem Haus eine asketische Schlichtheit. Das Zurücktreten rein ästhetischer Gestaltungsprinzipien hinter den die Form bestimmenden Verwendungszweck, definiert das äußere Erscheinungsbild. Ganz nach dem Leitsatz „Die Funktion bestimmt die Form“, entwickelte sich das Haus von innen nach außen. „Ich wollte mit meiner Familie keine leere Gebäudehülle bewohnen, sondern zuerst das Innere mit allen Sinnen beleben und das Wohnen selbst zelebrieren“, so Bauherr Marco Spitzar. Konkrete Vorstellungen zum Raumprogramm gab es bereits: Ein gemeinsamer Arbeitsraum, eine für alle zugängliche Bibliothek, eine Küche mit Kaffeehauscharakter sowie eine zentrale Feuerstelle im Wohnbereich mit Blickbeziehung zum Wasser. Für diese Bauaufgabe war es daher besonders wichtig, einen Projektpartner zu finden, der sich mit offenen Augen und Ohren den gestalterischen und technischen Anforderungen stellte. Die Architekten Christian Albrecht und Timo Bereiter haben sich dem Vorhaben beherzt angenommen. Über ein Jahr dauerte der intensive Planungsprozess. Dazu wurden in regelmäßigen Treffen – meistens Freitagnachmittag mit „open end“ – Entwürfe besprochen, Ideen weiterverwoben und nach geeigneten Lösungen gesucht. „Marco hat oft eigene Zeichnungen oder Collagen mitgenommen, die bestimmte Vorstellungen zu einzelnen Räumen veranschaulicht haben. Diese Stimmungen und Ideen haben wir versucht, gemeinsam baulich umzusetzen“, erinnert sich Timo Bereiter.

Die Mühe hat sich gelohnt. So dezent sich das Haus von außen gibt, umso komplexer präsentiert sich das Gebäude im Inneren. Auf drei terrassenartig angeordneten Ebenen erstreckt sich ein für die Familie maßgeschneidertes Setting mit fließend wechselnden Kulissen. Allen gemein ist die Inszenierung des Alltäglichen, das „in Szene setzen“ von scheinbar Banalem. Oft sind es kleine Zitate in Form von Aussparungen und Nischen, selten große Gesten.

Die einzelnen Raum-
sequenzen werden durch verschiedene Materialisierungen thematisiert und gruppieren sich um die zentrale Erschließung im Inneren. Sowohl Treppen als auch Gänge sind in diesem Bereich aus geschliffenem Beton und ziehen sich wie ein graues Band durch das komplette Gebäude. Im Wohnbereich weitet sich sogar der dunkle Bodenbelag zungenartig bis zur skulpturalen Feuerstelle aus. Letztere ist auf allen vier Seiten geöffnet und ebenfalls aus Beton. Für warme Akzente fernab des Kaminfeuers sorgen Eichendielen sowie Einbaumöbel und die mit Leder bespannten Innenwände. Eine abgehängte Holz-
lamellendecke verschafft eine angenehme Akustik. Der vom Bauherrn gewünschte Kaffeehauscharakter wurde samt Tisch und Bank geschickt in einer Nische in der Küchenzeile verwirklicht. So auch die Bibliothek, die in Form eines über alle drei Geschoße verlaufenden Bücherregals gleichsam das Rückgrat des Hauses bildet.

Der Arbeitsbereich der Familie befindet sich im Untergeschoß und beherbergt Büro und Atelier. Durch einen separaten Zugang von außen, respektive auch durch die innere Erschließung, werden die Funktionen Wohnen und Arbeiten räumlich getrennt. Ebenso kennzeichnet die Materialisierung in dieser Etage einen Bruch: Der sichtbare Beton der Wände und Decken gibt sich roh und unverblümt, der Rahmenabdruck jedes einzelnen Schalungselements ist deutlich erkennbar. Um Raum und Kunstwerke zu beleuchten, wurden die Lichtschienen für die Strahler bereits während des Betoniervorgangs in die Decke eingelegt. Der dunkle Teppichboden wirkt schallbrechend und verhindert so ein Nachhallen im Raum. Somit kann in Ruhe gearbeitet werden.

Die Mühe und die vielen Arbeitsstunden haben sich gelohnt: Durch aktives Zuhören und Offenheit gegenüber der Bauaufgabe sowie durch gegenseitiges Vertrauen aller Beteiligten, konnte ein auf die Familie zugeschnittenes Refugium geschaffen werden. Das Haus überzeugt vor allem durch die Organisation der Raumsequenzen und die Liebe zum Detail.

Jede Bauaufgabe hat eine andere Ausgangslage, unterschiedliche Beteiligte und Prozesse. Als Architekt ist ein hohes Maß an sozialer Kompetenz erforderlich. Man sollte sich vor allem der Rolle als Mentor und Mediator bewusst sein.

Um Raum und Kunstwerke zu beleuchten, wurden die Lichtschienen für die Strahler bereits während des Betoniervorgangs in die Decke eingelegt.

Um Raum und Kunstwerke zu beleuchten, wurden die Lichtschienen für die Strahler bereits während des Betoniervorgangs in die Decke eingelegt.

Kleine Zitate in Form von Aussparungen und Nischen bieten auch alltäglichen Abläufen eine Bühne.

Kleine Zitate in Form von Aussparungen und Nischen bieten auch alltäglichen Abläufen eine Bühne.

Eine Küche mit Kaffeehauscharakter war der persönliche Wunsch des Bauherrn, um früh morgens nicht alleine am großen Tisch frühstücken zu müssen. Mittlerweile dient die Nische als Dreh- und Angelpunkt der Familie.

Eine Küche mit Kaffeehauscharakter war der persönliche Wunsch des Bauherrn, um früh morgens nicht alleine am großen Tisch frühstücken zu müssen. Mittlerweile dient die Nische als Dreh- und Angelpunkt der Familie.

Der dunkle Bodenbelag aus geschliffenem Beton weitet sich bis zur vierseitig offenen Feuerstelle im Wohnbereich aus. Eine Holzlamellendecke sorgt für einen angenehmen Klang im Raum.

Der dunkle Bodenbelag aus geschliffenem Beton weitet sich bis zur vierseitig offenen Feuerstelle
im Wohnbereich aus.
Eine Holzlamellendecke sorgt für einen angenehmen Klang im Raum.

Eine für alle zugängliche Bibliothek wurde in Form eines über alle drei Stockwerke verlaufenden Bücherregals verwirklicht.

Eine für alle zugängliche Bibliothek wurde in Form eines über alle drei Stockwerke verlaufenden Bücherregals verwirklicht.

Das Atelier der Familie befindet sich im untersten Stockwerk. Dort hat jedes Mitglied seinen eigenen Arbeitsbereich.

Das Atelier der Familie befindet sich im untersten Stockwerk. Dort hat jedes Mitglied seinen eigenen Arbeitsbereich.

In Szene gesetzt
Terrassenartige Anordnung. Drei unterschiedlich große Kubaturen beherbergen den Wohnraum der Familie.

Terrassenartige Anordnung. Drei unterschiedlich große Kubaturen beherbergen den Wohnraum der Familie.

Graue Eminenz. Das puristisch wirkende Einfamilienhaus fällt besonders durch seine schlichte Eleganz angenehm auf, ohne dabei aufdringlich zu wirken.

Graue Eminenz. Das puristisch wirkende Einfamilienhaus fällt besonders durch seine schlichte Eleganz
angenehm auf, ohne dabei aufdringlich zu wirken.

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