Raupe am Entenbach

Geschützte Freibereiche, weite Ausblicke in die Natur und hohe Gruppenräume mit einer Galerie als Rückzugsmöglichkeit für die Kleinen machen das Kinderhaus am Entenbach von Bernardo Bader zu einem wirklich kinderfreundlichen Gebäude. Außerdem passt der maändrierende, lange Holzbaukörper wunderbar in die Landschaft am Ortsrand von Lauterach. Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Bernardo Bader Architekten
auterach ist eine der am stärksten wachsenden Gemeinden in Vorarlberg. „Vor Kurzem haben wir die 10.000 Einwohner-Marke geknackt“, erklärt Vizebürgermeisterin Doris Rohner. Außerdem hat sich die „e5“-Gemeinde besonders dem Klimaschutz verpflichtet und einen ausgeprägten Hang zu hochwertiger Architektur. Das zeigt sich auch am Kindergarten Bachgasse: 25 Jahre ist der Container aus Holz schon in Betrieb. Zu Beginn ihrer Berufslaufbahn haben Helmut Dietrich und Much Untertrifaller den Kindergarten mit Oberlichten und Sonnenfenstern modular, funktionell und nachhaltig geplant. „Wir arbeiten hier sehr gerne und sind froh, dass er noch steht“, so Kinderpädagogin Birgit Rüdisser. „Es gibt immer noch ältere Leute, die glauben, das wäre der neue Kindergarten. Doch die pädagogischen Anforderungen haben sich geändert.“
Der Zuzug machte mehr Plätze nötig: Der bestehende Kindergarten Bachgasse liegt an der Siedlungsgrenze zum Lauteracher Ried, dem etwa 800 Hektar großen Natura-2000-Landschaftsschutzgebiet. An seiner schmalen Seite im Südwesten verläuft die Bachgasse, in Richtung Nordosten bot der Grundstreifen genug Platz für eine Erweiterung: Die beste Voraussetzung, um das langgediente Provisorium in den Ruhestand zu entlassen und durch einen Neubau zu ersetzen, der mit der zwischenzeitlichen Erweiterung zum einheitlichen Ganzen verschmelzen sollte. Die Gemeinde machte sich die Wahl des Architekten nicht leicht: Eine Kommission fuhr kreuz und quer durchs Ländle und sah sich verschiedene Kindergärten vor Ort genau an. „Der Kindergarten Susi Weigel in Bludenz von Bernardo Bader hat uns sehr begeistert. Er hat so viel Holz und wirkt so natürlich, ruhig und warm, dass wir Bader unbedingt als Architekten haben wollten“, so Rohner. „Seine geradlinige, nüchterne Architektur hat uns sehr angesprochen.“
Nun schließt mit etwas Respektabstand ein knapp 20 Meter breiter, 65 Meter langer Baukörper in einer Flucht an den Altbau an: Er ist ganz aus Holz und mäandert wie eine Raupe in einem regelmäßigen Rhythmus aus hoch und nieder die Bachgasse entlang. Seine vertikalen Holzlatten verwittern natürlich und harmonieren mit der Landschaft. Wo er seinem Vorgänger nachfolgt, ist er ebenso nieder wie dieser und hat ein großes, qua-
dratisches Fenster: Das schafft eine optische Beziehung und schließt auch höhenmäßig an. Der erste Raum ist ein Indoor-Parkplatz für Tretroller und andere kindliche Gefährte, der gut überschaubare Asphalt vorm Haus eignet sich bestens für Ausfahrten.
Sobald der Altbau abgerissen ist, wird hier angebaut.
Momentan entwickelt sich der Kindergarten nach Nordosten. Hinter dem Verbindungsstück wird er höher und bildet einen Portikus: Hier liegt in einer weiß verputzten Nische der Eingang. Unter einem Gebäudevorsprung schlüpft man witterungsgeschützt in das „Kinderhaus am Entenbach“, jede Gruppe hat dahinter ihre eigene Eingangsnische in den Farben Blau, Rosa und Gelb. Das Farbkonzept stammt von Monika Heiss. „Wichtig war uns, einen Kindergarten aus dem Ort heraus zu entwickeln“, sagt Bernardo Bader. „Eigentlich sind das einzelne Häuser, die miteinander verbunden sind. Sie sollten eine gewisse Natürlichkeit haben.“
Ein freundlicher Vorraum mit Kokosmattenboden, Holzdecke und Bank bildet den Auftakt zu einem ungeahnt abwechslungsreichen Innenleben. Ein langer, heller, auf beiden Seiten verglaster Gang mit schönen, runden Leuchten, die an freundliche Vollmonde oder Luftballons erinnern, führt geradlinig bis zum quadratischen Fenster in die Landschaft durch das ganze Haus. Zwischen den Scheiben sind Öffnungen wahrzunehmen: Hier münden unter hohen Lichtlaternen im Gang die Garderoben ein, die als notwendiges und differenzierendes Element zwischen den drei Gruppen, Bewegungsraum und Speisesaal fungieren. Mit 2,50 Meter Höhe sind sie klar als dienende Räume artikuliert und öffnen sich zu beiden Seiten ins Freie: einmal zum aktiven Asphaltplatz am dörflichen Grünland und einmal zum Garten an der Morgensonne im Südosten. Marion Moosbrugger von Landrise gestaltete ihn sehr abwechslungsreich. Hier ist den Gruppen über die gesamte Länge ein gedeckter Gang vorgelagert, der im Bereich der Garderoben mit Holzboxen ausgestattet ist. Diese dienen als Staufläche, außerdem leitet ihre niedere Höhe zur Garderobe über und gibt so dem Gang Rhythmus und Struktur. Schatten und Licht, gedeckte Bereiche und der Blick in den Garten und in die Gruppe wechseln einander ab: Hier können die Kinder auch bei Nieselregen im Freien herumflitzen.
Alle anderen Aufenthaltsräume wie der Speiesaal, der Bewegungsraum und die drei Gruppenräume sind fast fünf Meter hoch. So lassen sich die Ruhebereiche auf einer Galerie anordnen: Seitlich von einem Oberlichtband erhellt, bieten sie den Kleinen ihren eigenen, geschützten Rückzugsort. Wenn sie neugierig sind, können sie sich am Maschendraht anhalten und hinunterlugen in die Gruppe. Sie ist mit etwa sieben mal acht Meter sehr ausgewogen proportioniert und öffnet sich mit großen Glasscheiben zum Garten. „Wir sind voll zufrieden. Wir haben 65 Kinder hier, die kleinsten sind knapp über 15 Monate alt“, so Laura Dueler, die Leiterin des neuen Kindergartens. „Keines der Kinder hat am ersten Tag geweint, als es hier bleiben sollte. Wir merken einen starken Unterschied zu vorher: Die offenen Blicke in die Landschaft wirken beruhigend auf die Kinder. Sie verhalten sich anders.“
Licht und Holz prägen diesen Kindergarten: sägeraue Weißtanne für Decke und Wände, am beheizbaren Fußboden liegt harte Esche, sowohl zum Gang, als auch zum Garten sind die Gruppenräume bis zu einer Höhe von 2,50 Meter über ihre ganze Breite verglast. In dieser Höhe sind die Wände weiß, darüber sorgen ein umlaufendes Fries aus Holz und die Akustikdecke für heimelige Atmosphäre. Viele liebevolle Details – wie die ausziehbaren Podeste bei den Unterschränken der Küche, die es auch den kleineren ermöglichen, die Arbeitsfläche zu erreichen, die Treppenlade als Aufstiegshilfe auf den Wickeltisch oder das Fach für die Elternpost in der Garderobe machen dieses Gebäude wirklich zu einem Kinderhaus.
Einzelne Häuser in räumlicher Vielfalt werden zu einer besonderen Welt für die Kinder.

Auch eine Bibliothek gibt es in diesem Kindergarten …

… und einen Turnsaal.

Auch innen folgt der Gang dem Rhythmus aus hoch und nieder. Hohe Glasflächen ermöglichen viel Bezug zueinander und zur Umgebung.

Auch der Gang im Inneren ist so großzügig dimensioniert, dass genug Platz
zum Spielen bleibt.

Die Gruppenräume sind fast fünf Meter hoch und haben große Fenster: So können die Kinder am fußbodenbeheizten Parkett sitzen und in die Landschaft schauen.

Die Raumhöhe ermöglicht eine Überraschung: Auf dieser Galerie über der Küche können sich die Kinder ungestört zurückziehen und trotzdem hinunter in die Gruppe lugen.

Alle großen Innenräume sind fast fünf Meter hoch,
die Decke ist mit Holz verkleidet und auch der Bereich
der Wände, der über dem Fenster liegt: Das erzeugt eine sehr heimelige Atmosphäre. Hier der Speisesaal für alle.

Jede Gruppe hat ihre eigene Eingangsnische in den
Farben Blau, Rosa und Gelb.

Der 20 Meter breite, 65 Meter lange Baukörper hat eine sehr eigenwillige Form: Wie eine Raupe mäandert er in einem regelmäßigen Rhythmus aus hoch und nieder die Bachgasse entlang. Hier die Gartenseite in der Morgensonne.

Den Gruppen ist zum Garten hin ein gedeckter Gang vorgelagert, in dem die Kleinen auch bei Regen im
Freien spielen können.