Lebensräume Gartenträume

Immo / 17.08.2017 • 09:41 Uhr
Lebensräume Gartenträume

Wichtiger Ort der Industriegeschichte Vorarlbergs ist das Areal der ehemaligen Maschinenfabrik und Gießerei Rüsch. Weitsichtige Entscheidungen zur Stadtentwicklung schenkten Dornbirn hier vor fünfzehn Jahren ein „Erlebnis Naturschau“ und Lebensraum von großer Qualität. Autorin: Martina Pfeifer Steiner | Fotos: Darko Todorovic

tellen wir uns Manhattan ohne Central Park vor. Die Metropole würde nicht funktionieren, wenn diese Vision nicht gedacht und verwirklicht worden wäre. Dass Architektur für den Ort gebaut wird und die Atmosphäre eines Bauwerkes im Zusammenhang mit dem Freiraum entsteht, ist erwiesen. Ebenfalls, dass die Lebensqualität einer Stadt, eines Ortes, einer Siedlung vom Zwischenraum bestimmt wird, der mit dem Gebauten entsteht. Dornbirn ist nicht mit NYC vergleichbar, doch es stand auch hier eine Idee am Anfang einer erfolgreichen Weichenstellung für die Stadtentwicklung. Mit dem Beschluss der Stadt Dornbirn, das Rüsch-Areal zu kaufen und im Endeffekt die Alte Naturschau in die brachliegenden Kubaturen der Montagehalle, Gießerei, Dreherei und der Schmiede zu siedeln und zur „inatura“ zu wandeln, sowie einen Gestaltungswettbewerb für eine öffentliche Grünanlage als „zentralen Erholungs- und Kommunikationsraum für die Dornbirner Bevölkerung und ihre Gäste“ auszuschreiben, war der Grundstein für ein neues, attraktives Wohnquartier in Zentrumsnähe gelegt. Rotzler Krebs Partner Landschaftsarchitekten aus der Schweiz konnten damals den Wettbewerb gewinnen und es war ein erstes rigoroses Parkprojekt in Vorarlberg.

Die umliegenden Wohn-
anlagen auf den Ölz-Gründen und dem Sägerei-Gelände entstanden erst später und nutzen heute so selbstverständlich die Gunst des Standortes am Stadtgarten. Worin könnte nun der Unterschied liegen, ein Haus oder einen Garten zu beschreiben? Es wird bei beiden um den Ort gehen, auf den das Werk reagiert, um die Atmosphäre, die geschaffen wird, die Funktionen, Materialität, vielleicht wird es aber bei der Landschaftsarchitekturvermittlung poetischer.

Hauptthemen bei der Anlage des Stadtgartens wären die Geometrie der Fabrik-
anlagen und der unterirdische Kanal gewesen, berichtet Matthias Krebs. Im 18. Jahrhundert legte man einen künstlichen Mühlbach für Wasserkraft an. Aus Sicherheitsgründen war es beim neuen Park nicht möglich, den Wasserlauf zugänglich zu machen. Die Landschaftsarchitekten schaffen jedoch über Interventionen die Reminiszenz. Ein Wasserrad als Installation neben dem Museum schaufelt kontinuierlich Wasser aus dem Becken und lässt es wieder hinein platschen. Es gibt Kanalfenster und dann wieder grotesk im Weg stehende Horchrohre. Edukative Erklärungen sind bewusst vermieden, es geht um das Einlassen mit allen Sinnen. Nach dem für das ganze Industriegelände so prägenden, aber verborgenen Kanal richten sich der Verlauf von Baumreihen und die feldartig organisierten Parkräume. Wasser bestimmt auch den Museumsgarten im hinteren Bereich des Geländes. Das klargefasste, mit Seerosen und Binsen bepflanzte Betonbecken, zusammen mit der berankten Pergola, lässt die Menschen in eine andere Welt versinken und zur Ruhe kommen. Angrenzend daran eine Sukzessionsfläche mit Pionierpflanzen wie Königskerzen, Natternkopf und Disteln, die als Wildnis einen deutlichen Kontrast bilden. Die Spielwiese zur Nachbarschaft ist ebenfalls mit schnellwachsenden Birken bepflanzt, dort war also gleich am Anfang schon ein „richtiger“ Park.

Der Zugangsbereich folgt wieder klaren Linien und einer strengen Ordnung. Bäume aus aller Welt, nach Kontinenten geordnet, bilden eine imaginäre Weltkarte. Ginkgo, Blauglöckchenbaum, Esche, Scharlach-Eiche und unzählige andere Gehölze entfalten mit ihren Blättern und Baumkronen ganz unterschiedliche räumliche Stimmungen. Alles läuft auf den zentralen, elegant-urbanen Hofraum zu, der zwischen den alten Gemäuern, wo der Kunstraum untergebracht ist, und der inatura entsteht.

Kommt man vom Parkplatz her, durchquert man auf verschlungenen Wegen den verwilderten Fabrikantengarten mit alten Koniferen und Parkbäumen, umfasst von Buchshecken und weißblühenden Strauch-
rosen. Zur Straße hin wird der Stadtgarten wieder präzise gerahmt. In Erinnerung an die ehemals harte Abgrenzung des Industriegeländes bilden die hohen, schräg gestellten Stahlstaketen einen durchlässigen räumlichen Abschluss.

Und der Kinderspielplatz? Dieser nimmt die heutige Tendenz zur Spiellandschaft vorweg. Etwas abgelegen bilden Weiden-
hecken vielschichtige Inseln, die durch Kriechrohr und höhenmäßig kindgerechte, bunte Eingangstunnel zu erreichen sind, verhangen mit der kitzelnden Pflanzenschicht aus China-
schilf. Und plötzlich tun sich doch die grünen Kammern mit Sandplatz, Schaukel und Rutschen auf. Gartenträume werden wahr.

Die Geometrie der Anlage wird im Aboretum aufgenommen, das mit der Herkunft der Bäume, nach Kontinenten geordnet, eine imaginäre Weltkarte abbildet.

Die Geometrie der Anlage wird im Aboretum aufgenommen, das mit der Herkunft der Bäume, nach Kontinenten geordnet, eine imaginäre Weltkarte abbildet.

Beim Sommerworkshop im vai-Doma ließen sich Volksschulkinder vom Stadtgarten zu ihrem eigenen Gartentraum inspirieren.

Beim Sommerworkshop im vai-Doma ließen sich Volksschulkinder vom Stadtgarten zu ihrem eigenen Gartentraum inspirieren.

Der klargefasste, mit Seerosen und Binsen bepflanzte Wassergarten mit der berankten Pergola bietet besondere Aufenthaltsqualität.

Der klargefasste, mit Seerosen und Binsen bepflanzte Wassergarten mit der berankten Pergola bietet besondere Aufenthaltsqualität.

Weidenhecken und Chinaschilf zonieren die Spiellandschaft und geben nach Durchdringen der Pflanzenschichten überraschende Inseln frei.

Weidenhecken und
Chinaschilf zonieren
die Spiellandschaft und
geben nach Durchdringen der Pflanzenschichten
überraschende Inseln frei.

Etwas abseits eine Sukzessionsfläche mit Königskerzen, Natternkopf und Disteln, auch Brennnesseln dürfen hier wachsen.

Etwas abseits eine
Sukzessionsfläche mit
Königskerzen, Natternkopf und Disteln, auch Brennnesseln dürfen hier wachsen.

Die Eingangssituation zur inatura ist mit den Baumreihen wohl strukturiert, wie auch die Gebäude einer stringenten Ordnung um den Rüschhof folgen.

Die Eingangssituation zur inatura ist mit den Baumreihen wohl strukturiert, wie auch die Gebäude einer stringenten Ordnung um den Rüschhof folgen.

Verträumt gibt sich die der Nachbarschaft zugewandte Seite, ein poetischer Ort mit schnell- und wildwachsendem Pioniergehölz.

Verträumt gibt sich die der Nachbarschaft zugewandte Seite, ein poetischer Ort mit schnell- und wildwachsendem Pioniergehölz.

In Erinnerung an die ehemals harte Abgrenzung des Industriegeländes bilden die hohen, schräg gestellten Stahlstaketen den durchlässigen räumlichen Abschluss zur Straße.

In Erinnerung an die ehemals harte Abgrenzung des Industriegeländes bilden die hohen, schräg gestellten Stahlstaketen den durchlässigen räumlichen Abschluss zur Straße.

Der unterirdische Fabrikkanal wird durch mehrere Interventionen sinnlich erlebbar, beispielsweise macht ein skurriles Horchrohr mitten am Weg neugierig.

Der unterirdische Fabrikkanal wird durch mehrere Interventionen sinnlich erlebbar, beispielsweise macht ein skurriles Horchrohr mitten am Weg neugierig.