Brändlepark

Immo / 23.05.2018 • 15:44 Uhr
Brändlepark

Am Areal des früheren Unfallkrankenhauses Böckle in Bregenz wurde
vergangenen Herbst nach mehrjähriger Planungs- und Realisierungszeit –
Römergrabungen und Anrainerproteste inklusive – eine Wohnanlage mit insgesamt
62 Einheiten fertiggestellt. Der kleine, öffentliche Park, den die fünf Häuser in ihre Mitte nehmen, ist ein Geschenk für alle, die hier wohnen und für die ganze Stadt.

Einst stand neben dem Krankenhaus, im nordwestlichen Teil des Grundstücks, eine Villa mit ausgedehntem Garten. Die Besitzerin überließ die Flächen als Schenkung der Stadt Bregenz. Bedingung: Der „Brändlepark“ sollte als Grünraum erhalten und öffentlich zugänglich gemacht werden. Ob mit dem Bauprojekt die Intentionen der Schenkerin nun in allen Aspekten gewahrt wurden, kritische Stimmen aus der Nachbarschaft hatten das bezweifelt, lässt sich heute nur mehr vermuten. Fest steht, die Architekten Fink Thurnher haben den Wert dieses Naturraums erkannt und die insgesamt doch beträchtliche Baumasse möglichst durchlässig am Grundstück platziert, sodass der Park als gemeinsamer Garten für alle seine Wirksamkeit entfalten kann.

Das Raumprogramm des Vorhabens wurde auf fünf Wohnhäuser verteilt. Zwei davon waren schon im Wettbewerb als Eigentumsobjekte vorgesehen und wurden von einem privaten Bauträger abgewickelt. Die drei anderen Gebäude wurden von der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Vogewosi realisiert – teils Miet-, teils Mietkaufeinheiten, zudem ein Objekt für betreutes Wohnen. Ziel des kombinierten Modells, das im Land derzeit vermehrt zur Anwendung kommt, ist die soziale Durchmischung im Quartier. Angesichts der sich rapide weitenden Schere zwischen Arm und Reich eine sinnvolle und zunehmend notwendige sozialräumliche Strategie.

Das größte Objekt der Anlage wollen wir uns von innen näher ansehen. Es ist zur Gänze dem betreubaren Wohnen vorbehalten und bietet Platz für dreißig Haushalte unterschiedlicher Größe. Mit seiner durchlässigen, gemeinschaftlich nutzbaren Erdgeschoßzone ist dieses Haus das Herzstück des Projekts. Das fast sechs Meter breite Foyer, das den quadratischen Bau in gesamter Tiefe durchmisst, unterstreicht den etwas öffentlicheren Charakter. Wer auf den Eingang zugeht, hat schon das Grün des Parks auf der anderen Seite im Blick.
Innen tut sich überraschend ein Atrium auf. Ein großes Oberlichtfeld im Dach versorgt sämtliche Erschließungsflächen in den Etagen und den öffentlichen Bereich im Erdgeschoß mit Naturlicht. Die räumliche Weite bietet nicht nur ein angenehmes Entree. Der helle, offene Kern verschafft dem Großobjekt mit 30 Parteien auch die nötige gemeinsame Kommunikationszone, einen wetter-
geschützten Platz für Veranstaltungen und Feste.

Für die Hausgemeinschaft gibt es zudem einen eigenen Aufenthaltsraum. Direkt an der Straßenfront gelegen, funktioniert er als Schnittstelle zwischen Stadtraum und hausinternem Leben. An drei Vormittagen pro Woche wird das halböffentliche Wohnzimmer zum Stützpunkt von Daniela Achmüller, die als Koordinatorin der Stiftung Liebenau das Wohnhaus im Auftrag der Stadt Bregenz betreut. Verschiedene Aktivitäten können hier stattfinden, von Bewegungsprogrammen bis zu Stricknachmittagen. Die Bewohnerinnen und Bewohner können den Raum aber auch für kleine Feiern oder zum Beispiel für ein gemeinsames Frühstück oder Abendessen nutzen. Es ist ganz einfach ein Raum fürs Miteinander, der eigentlich keinem Wohnbau fehlen sollte, ob privat oder gemeinnützig, ob „betreut“ oder nicht.

Die Leute im Haus sind weitgehend selbstständig. Viele sind aber altersbedingt auf eine barrierefreie Wohnung mit altersgerechter Ausstattung und hin und wieder auf eine Hilfeleistung angewiesen. Das sind Voraussetzungen, die im angestammten Umfeld häufig nicht vorhanden waren. Hier gibt es all das und mit Daniela Achmüller zudem eine Ansprechperson für sämtliche Anliegen, eine Frau, die mit Rat und Tat zur Seite steht, bei Bedarf für Austausch und Gemeinschaft sorgt. „Nach vierzig oder fünfzig Jahren die eigene Wohnung verlassen zu müssen und sich in einem neuen Umfeld einzuleben, das ist nicht leicht und kräfteraubend“, weiß die erfahrene Betreuerin des Hauses, die seit 18 Jahren für die Stadt Bregenz im Seniorenbereich tätig ist. Die eine oder andere Kritik gibt es bei Neuem und Ungewohntem immer. „Aber“, sagt Frau Achmüller zum Schluss, „den Leuten gefällt es allen hier und sie fühlen sich sehr wohl.“ Und das sei für sie, für die Stiftung und für die Stadt das Wichtigste.

„Ich mag das Atrium. Es hat eine gewisse Weite, wenn ich ins Haus komme. Das macht sehr viel aus.“

Architekt Josef Fink und Daniela Achmüller, die Koordinatorin des Hauses, im Gemeinschaftsraum im Erdgeschoß

Architekt Josef Fink und Daniela Achmüller, die Koordinatorin des Hauses, im Gemeinschaftsraum im Erdgeschoß

ZUR STRAßE wurden die Viergeschoßer höhengestaffelt, um ihnen Wuchtigkeit zu nehmen. Auch die horizontale Baugliederung mit sichtbaren Deckenbändern leistet dazu einen Beitrag. Etwas mehr baugestalterische Aufmerksamkeit hätte sich der Dachaufbau verdient.

ZUR STRAßE wurden die Viergeschoßer höhengestaffelt, um ihnen Wuchtigkeit zu nehmen. Auch die horizontale Baugliederung mit sichtbaren Deckenbändern leistet dazu einen Beitrag. Etwas mehr baugestalterische Aufmerksamkeit hätte sich der Dachaufbau verdient.

DER PARK wird durch das kluge stadträumliche Konzept der Architekten als Erweiterung der attraktiven Grünflächen um Kreuzkirche am Ölrain und Tschermakgarten auf der anderen Seite der Josef-Huter-Straße erlebbar.

DER PARK wird durch das kluge stadträumliche Konzept der Architekten als Erweiterung der attraktiven Grünflächen um Kreuzkirche am Ölrain und Tschermakgarten auf der anderen Seite der Josef-Huter-Straße erlebbar.

AUF DEN ERSTEN BLICK ist der enge Kostenrahmen des geförderten Wohnbaus vor allem außen nicht ablesbar. Es wurde versucht, den typologischen Kontrast zur Villenbebauung sanft zu gestalten.

AUF DEN ERSTEN BLICK ist der enge Kostenrahmen des geförderten Wohnbaus vor allem außen nicht ablesbar. Es wurde versucht, den typologischen Kontrast zur Villenbebauung sanft zu gestalten.

Das Fenster ins Atrium habe sie anfangs verhängen wollen, meint eine Mieterin. Mittlerweile schätzt sie die Offenheit: „Wenn jemand schaut, gibt es halt kurz Blickkontakt. Ist das schlimm?“

Das Fenster ins Atrium habe sie anfangs verhängen wollen, meint eine Mieterin. Mittlerweile schätzt sie die Offenheit: „Wenn jemand schaut, gibt es halt kurz Blickkontakt. Ist das schlimm?“

Das große Dachfenster erhellt die Erschließungsflächen und das Foyer im Kern des Hauses und versorgt die bei einigen Grundrisstypen innenliegenden Wohnküchen mit etwas Naturlicht.

Das große Dachfenster erhellt
die Erschließungsflächen und das Foyer im Kern des Hauses und versorgt die bei einigen Grundrisstypen innenliegenden Wohnküchen mit etwas Naturlicht.

An die Küche schließt bei diesem Wohnungstyp das Wohnzimmer an. „Es ist wie ein Nest“, meint die Bewohnerin, „klein, aber gemütlich.“

An die Küche schließt bei diesem Wohnungstyp das Wohnzimmer an. „Es ist wie ein Nest“, meint die Bewohnerin, „klein, aber gemütlich.“

Das ist der Lieblingsplatz der Dame, die hier wohnt, die Loggia: „Da bin ich immer, wenn es geht, und genieße die Vormittagssonne.“

Das ist der Lieblingsplatz der Dame, die hier wohnt, die Loggia: „Da bin ich immer, wenn es geht, und genieße die Vormittagssonne.“

Das gemeinschaftliche Wohn-zimmer bietet Platz für verschiedenste Aktivitäten. Bei den Leuchten ist der Sparstift zu spüren. Das verursacht ein atmosphärisches Defizit im ganzen Haus.

Das gemeinschaftliche Wohn-
zimmer bietet Platz für verschiedenste Aktivitäten. Bei den Leuchten ist der Sparstift zu spüren. Das verursacht ein atmosphärisches Defizit im ganzen Haus.