Neuer Leuchtturm fast ohne Türmchen

63 Arbeiten, darunter 23 Gemälde, bieten eine adäquate Auseinandersetzung mit dem Werk des österreichischen Künstlers Friedensreich Hundertwasser (1928-2000). Stadt Lindau/Flemming, VN
Das alte Postgebäude beim Inselbahnhof in Lindau wird mit Friedensreich Hundertwasser zum Kunstmuseum.
Lindau In Form von Drucken, Kaffeetassen, Schals und sonstigen Behübschungsutensilien ist Friedensreich Hundertwasser (1928-2000) so präsent wie kaum ein anderer Österreicher. Gut, Klimt läuft ihm diesbezüglich den Rang ab. Aber gerade das sind die eher lästigen Beiwerke, die den beiden Namen anhaften. Bei Klimt, in dessen Œuvre neben der hohen Qualität deutliche Schaffensepochen auszumachen sind, tut man sich leichter, bei Friedensreich Hundertwasser, bei dem sich die Motive im Grunde genommen wiederholen, stellt sich jedem Ausstellungsmacher eine Herausforderung.
Für die österreichischen Beobachter war es etwas überraschend, als die Stadt Lindau ankündigte, ihre Blockbuster-Reihe mit Vertretern der Klassischen Moderne, die bereits zwei Mal Picasso beinhaltete, und in der alljährlich in den Sommermonaten etwa mit Arbeiten von Klee, Chagall, Nolde, Matisse, Miró oder Macke jeweils gut 50.000 Besucher oder mehr angelockt wurden, mit Friedensreich Hundertwasser fortzusetzen. Das Werk des Österreichers ist zwar genauso massentauglich wie teilweise kaum bekannt, aber letztlich entspricht diese Programmierung einem Sprung nach vorne in Richtung Gegenwart. Grundsätzlich zeugt diese Wahl aber von einer gewissen Logik. Das bisherige Domizil der Sommerausstellungen, das Haus zum Cavazzen, ein Kleinod im gesamten Bodenseeraum, wird umgebaut. 25 Millionen Euro werden dafür aufgewendet und bis das spätbarocke Bauwerk wieder bezugsfertig ist, kann es dauern. Man suchte nach einem Ausweichquartier, adaptierte die Schalterräume der alten Post, ließ dafür, wie Kulturamtsleiter Alexander Warmbrunn bestätigt, etwa 600.000 Euro springen und hat nun eine Hundertwasser-Ausstellung, wie es sie in der Region seit Jahrzehnten nicht gegeben hat und zudem mitten im Zentrum, das heißt, in der Nähe des Inselbahnhofs und des Hafens, ein neues Kunstmuseum. Fünf Jahre läuft der Mietvertrag.
Der Anfang
Hundertwasser macht den Anfang. „Traumfänger einer schöneren Welt“ lautet der Titel der Schau, die den Maler, Grafiker und den Architekten entdecken lässt, auch im Hinblick auf die exzellente Gestaltung wie ein weiterer Leuchtturm wirkt und dabei fast ohne Türmchen auskommt. Letztere haben nämlich nicht nur jene satt, die die bunte Architektur von Hundertwasser ein wenig belächelten, weil er mit Farbe nicht sparte und die gerade Linie auch im Dreidimensionalen ausklammerte.
Die Zusammenarbeit mit der Hundertwasser-Stiftung sowie die Hinzuziehung des bekannten Kunsthistorikers Robert Fleck sichert dem Unternehmen die Qualität. Diese steht bei der Auswahl der rund 20 Gemälde, knapp 40 Grafiken und einiger Architekturzeichnungen außer Frage. Der Polemiker braucht nicht Platz zu finden, der kritische Geist und Umweltschützer sehr wohl. Lindau leistet sich ein gutes Vermittlungsprogramm und konfrontiert mit einem OEuvre, das auch die Österreicher wieder daran erinnert, dass sich Hundertwasser mit Schiele und dem japanischen Holzschnitt befasste, dass er als im NS-Regime Verfolgter die Vergangenheit thematisierte, dass er mit natürlichem Material arbeitete und die Spirale zum Motiv erhob, in dem eine enorme Spannung liegt.
Die Ausstellung ist vom 6. April bis 29. September, Mo bis So, 10 bis 18 Uhr, im Kunstmuseum am Inselbahnhof (Maximilianstraße 52) zu sehen: www.lindau.de