Kulturpolitik tut Not
Die Staatssekretärin ist zurückgetreten, gendergerecht folgte ihr Andrea Mayer. Sie kennt sich aus und hat Durchsetzungsvermögen. Dennoch ändert dies nichts am Grundproblem, dass Kunst und Kultur entgegen ihrem geistigen und wirtschaftlichen Stellenwert für unser Land in dieser Regierung nicht ernst genommen werden.
In schlechter Tradition wurde die Kultur als Wurmfortsatz eines Beamten- und Sportministeriums auf einen ungeliebten letzten Platz in einem bedeutungslosen Staatssekretariat verbannt. In der Coronakrise wurde deutlich, wie sehr ein starkes, eigenständiges Kulturministerium fehlt. Die scharfe Kritik der Kunstszene war und ist berechtigt. Worum geht es nun? Um nichts weniger als die Rettung und Bewahrung der für unser Land nicht nur materiell, sondern auch geistig existentiellen Kunstwelt, ihrer Szenen und Institutionen. Die Stichworte lauten Existenz- und Struktursicherung und vor allem Solidarität und Innovation. Beispielhaft sei die Kunst- und Museumswelt angeführt und mögliche Maßnahmen skizziert.
Erstens: Sofortprogramm zur existentiellen Absicherung der ihrer Präsentations- und Verkaufsmöglichkeiten beraubten Künstler. Bayerns 1000-Euro-Unterstützung könnte hier ein Beispiel sein. Sowie Führung einer Debatte über Gerechtigkeit im Kulturbereich (beamtengleiche Absicherung und gleichzeitige Spitzengagen versus prekaristisches Durchwursteln und Kämpfen am Existenzminimum).
Zweitens: Museumsöffnung ja, aber auch Lösung der damit verbundenen Probleme. Besondere Unterstützung bisher erfolgreicher Museen mit hoher Eigendeckung, die durch Ausbleiben der Besucher und Touristen um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen, jedoch keine Akzeptanz für unsolidarisches Anmelden von Kurzarbeit von öffentlich gut finanzierten Häusern. Teilverzicht und Einfrieren von Direktorenspitzengehältern, dafür Entgelt für Arbeit der Künstler für Ausstellungen. In den nächsten Monaten statt prestigeträchtigster Großausstellungen und teurer internationaler Leihgaben Konzentration auf eigene Sammlungen und Auftragsvergabe und Honorierung von Künstlern vor Ort. Ausbleiben von Touristen als Chance sehen, um Menschen vor Ort wiederzugewinnen. Gratiseintritte oder „all you can pay“-Programme genügen nicht, gefragt ist ein Ernstnehmen der Besucher durch interessante Themen und verständliche Kommunikation. Daher Reaktivierung von Programmen der Kunst im öffentlichen Raum. Und Überbrückungshilfen für Non-Profit-Kunstinitiativen und -Häuser, sie sind die Biotope unseres Kulturlebens.
In der Coronakrise wurde deutlich, wie sehr ein starkes, eigenständiges Kulturministerium fehlt. Die scharfe Kritik der Kunstszene war und ist berechtigt.
Drittens: Staat und Privat sind hier kein Gegensatz: Finanzierung eines Rettungsschirms für Österreichs Kunstwirtschaft: Vorgezogene Ankäufe von Künstlern und Galerien durch Museen und Staat, Sicherung der Kunstmessen, befristete steuerliche Absetzbarkeit von Kunstankäufen.
Österreich als führende Kulturnation steht auf dem Spiel. Angesagt ist eine engagierte, innovative, solidarische und zielgerichtete Kulturpolitik.
Dr. Gerald Matt ist Kulturmanager und unterrichtet an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.
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