Liebe, Ehe und Kampfgemeinschaften

Kultur / 17.07.2020 • 20:31 Uhr
Die MarschallinZora del BuonoC.H. Beck380 Seiten

Die Marschallin

Zora del Buono

C.H. Beck

380 Seiten

Zora del Buono erzählt von ihrer Großmutter und ihrem Clan.

Roman Ein slowenisches Dorf am Ende des Ersten Weltkriegs. Ein kleiner Junge, der in der Umgebung liegen gebliebene Munition sammelt und sich dabei schwer verletzt. Seine ältere Schwester, die ihn zur Ambulanz trägt. Und ein Arzt der italienischen Armee, der den Jungen behandelt. Das ist die Ausgangslage von Zora del Buonos neuem Roman „Die Marschallin“ und der Beginn einer Liebe, Ehe und Kampfgemeinschaft. Die junge Slowenin Zora Ostan folgt dem Arzt Pietro del Buono nach Bari, wo dieser die erste radiologische Klinik südlich von Rom aufbaut. Die Klinik ist Teil eines Hauses, das Zora entwirft und zu einem Dreh- und Angelpunkt der kommunistischen Internationalen macht. Hier werden glanzvolle Feste gefeiert und Aktionen gegen Mussolinis Faschisten geplant, hier bittet der jugoslawische Marschall Tito um eine Audienz bei der Hausherrin und lässt sich nebenbei von ihrem Ehemann röntgen. Hier werden vier Söhne zu kommunistischen Kämpfern erzogen und Dienstmädchen herumgescheucht.

Wie gehen Großbürgertum und Kommunismus zusammen? Für die Protagonistin bestand kein Widerspruch zwischen ihrem Lebensstil und ihrer Gesinnung. „Zora hätte man in die Reihe der Männer stellen können, als ihr Anführer, Dirigent, Marschall, Patriarch: Alles hätte gepasst“, denkt ihr Bruder, während er selber sich als Schwuler traditionell weiblichen Werten verpflichtet fühlt. Mit ihm hat Zora kein Problem, doch ihren ältesten Sohn Davide, den sie zu weich findet, will sie aus den Augen haben. Sie schiebt ihn ab in ein Schweizer Internat. Er wurde später der Vater der Autorin.

Prägende Frauenfiguren

Auch viele andere Schweizer Autorinnen haben Familiengeschichten mit prägenden Frauenfiguren vorgelegt. Wohl am meisten Parallelen zu Zora del Buono weist Anne Cuneos „Zaida“ auf. Hier mutiert eine Großtante namens Zaida Cuneo zur Urgroßmutter der jungen Erzählerin. Diese verfolgt die Spuren der Vorfahrin von London, wohin die Familie aus politischen Gründen geflüchtet war, über Florenz nach Zürich, wo Zaida mit ihrem Mann, ebenfalls einem Arzt, gegen Mussolinis Regime agitierte. Ihre eigenen Erfahrungen als Tessiner Lehrerin für italienischsprachige Immigrantenkinder in der Deutschschweiz hat Anna Felder in ihrem viel beachteten Roman „Quasi Heimweh“ verarbeitet.

Und Zora? Sie endet enteignet und ohne ihren dementen Ehemann in einem slowenischen Altersheim. Erst ihr Schlussmonolog weckt so etwas wie Sympathie. Wenn sie an ihre Großmutter denke, sagte die Autorin einmal in einem Interview, dann falle ihr zuerst deren Geruch ein: „Ein warmer Geruch nach Puder, sehr wohlig.“ Gut, hat sie dieser Wohligkeit beim Schreiben widerstanden und ihre Protagonistin nicht verklärt, sondern ein Porträt mit durchaus unangenehmen Ecken und Kanten geschaffen.