Distanzlos in Kunst kuscheln

Kultur / 03.09.2020 • 20:33 Uhr
Teil der Arbeit der jungen österreichischen Künstlerin Nana Mandl. Dock 20/MIK
Teil der Arbeit der jungen österreichischen Künstlerin Nana Mandl. Dock 20/MIK

Nana Mandl bespielt mit buntem Teppich 100 Quadratmeter Boden im Lustenauer Dock 20.

LUSTENAU Wie es sich anfühlt, wenn man sich mitten in die Kunst hineinsetzen oder -legen und alles angreifen, schütteln und benützen kann, vermittelt derzeit die Ausstellung der jungen österreichischen Künstlerin Nana Mandl im Dock 20 in Lustenau. „Dropping Distance“ heißt die Installation, die den Ausstellungsraum durch einen passgenauen, bunt bedruckten Teppich in eine Kuschelwiese für Groß und Klein verwandelt. Nana Mandl gilt als Shootingstar der jungen österreichischen Szene und hat vor allem mit ihren raumgreifenden, farbenfrohen und materialintensiven Werken, Gemälden und Collagen, auf sich aufmerksam gemacht. Für Claudia Voit, Leiterin des Dock 20, war die Beschäftigung der Künstlerin mit Textilem und manuell produziertem Gesticktem, in Gegensatz zur Ästhetik der digitalen Bildverfahren, ausschlaggebend für deren Einladung nach Lustenau. Zumal sich zeitgleich mit Nana Mandl Margarita Rozhkova (Modedesignerin aus Berlin) und Anne Zühlke (Kulturwissenschaftlerin aus Wien) als Stipendiatinnen des Residency-Programms in ihrer Präsentation im kleinen Ausstellungsraum mit der Geschichte der Stickerei in Lustenau und der Sammlung des S-MAK befassen.

Nähe und Distanz

Doch mitten in den Ausstellungsvorbereitungen kam Corona und alles war anders. Mit dem Lockdown reduzierten sich zwischenmenschliche Kontakte auf sterile, digitale Oberflächen und das Thema von Nähe und Distanz, auch zwischen BetrachterIn und Kunstwerk ist im Schaffen von Nana Mandl noch vehementer in den Vordergrund gerückt. Die Idee zur Gestaltung eines Teppichs als begehbares Bild schlummerte bereits seit 2018 in der Künstlerin. Angesichts der aktuellen Situation, in der haptische Erfahrungen, das Befühlen und Begreifen einer Ausstellung im wörtlichen Sinn für Mandl wichtiger denn je sind, war der geeignete Moment zur Realisierung gekommen. So kommt es, dass am Beginn der Ausstellung die Aufforderung steht: „Bitte Schuhe ausziehen. Die Ausstellungsobjekte dürfen berührt werden, wir bitten um einen achtsamen Umgang.“ In diese absolut kindertaugliche und kinderfreundliche Schau, in der gekrabbelt und betatscht werden darf, in der man sich in ein Kissen fläzen oder mit einer Decke zudecken kann, in der Objekte auf niedrigen Podesten oder tief gehängt präsentiert sind, spielen auch die persönlichen Erfahrungen Mandls als Mutter eines Kleinkindes hinein, wenn sie ihren Blick als Künstlerin erstmals auf den Boden richtet und mit dem Perspektivenwechsel spielt.

Teletubbies und Baby-Elefant

Die hellblaue Fläche des Teppichs wird auch fürs Auge zur Spielwiese. Als digitale Collage am Computer entworfen und dann auf den Teppich gedruckt, greift Nana Mandl tief in ihre Motivkiste, plündert ihre Glitzerboxen und Stickersammlung, klebt, zeichnet, schreibt und übermalt, stickt und näht, kombiniert präzise und vielschichtig. Das Ergebnis: Swingende Teletubbies tummeln sich neben abstrakt verpixelten Flächen, Abstandspfeile treffen auf Emojis mit Maske und warnend erhobene Zeigefinger, Gekritzeltes trifft auf Begriffe wie Fight, Power und immer wieder Love – der bunte Bildpool der Künstlerin aus eigenen Fotos und unlimitierten Aufnahmen aus dem Netzt scheint schier unerschöpflich. Auf einer Decke taucht sogar das gestickte Motiv des sagenhaften Baby-Elefanten auf, und mit den Schüttelbildern kann jeder das Kunstwerk nach seinem Gusto und der Geschicklichkeit seiner Hände neu arrangieren. Ihre absurden, intuitiv komponierten Mischungen, so Mandl, entstünden aus der parallelen Existenz von Globalem und Persönlichen und den Überlappungen daraus. Als Teil der Generation Remix kostet sie die „irrsinnige Freiheit des Internets als Bildarchiv zur freien Verwendung“ aus und verleiht den in Loops und immer wieder neuer Gestalt und Materialität wiederkehrenden Dingen gleich mehrere Leben. Also hinein in diese bunte, kuschelige Welt, an der man sich kaum sattsehen kann.

Teil der Arbeit der jungen österreichischen Künstlerin Nana Mandl.  Dock 20/MIK
Teil der Arbeit der jungen österreichischen Künstlerin Nana Mandl.  Dock 20/MIK

Zur Person

Nana Mandl

Künstlerin

Geboren: 1991 in Graz

Ausbildung: Universität für angewandte Kunst, Wien, Kunsthochschule Berlin Weißensee

Laufbahn: Ausstellungen in Graz, Wien, Berlin, Palma de Mallorca, Kapstadt, Bangkok

Auszeichnungen: Nominierung Kapsch Art Prize, Bildrecht Solo Award, Förderungsstipendium der Universität für angewandte Kunst u.a.

Wohnort: Wien und Berlin

 

Die Ausstellung ist im Dock 20 in Lustenau, Pontenstraße 20, bis 1. November geöffnet, Fr, Sa, So und Feiertage, 15 bis 19 Uhr. 5. September, 16 Uhr, Dialogführung.