Wo es viele Affen gibt, aber ganz und gar keine affige Kunst

Kultur / 10.09.2020 • 21:00 Uhr
Wo es viele Affen gibt, aber ganz und gar keine affige Kunst
KUB-Direktor Thomas D. Trummer (l.) und Künstler Peter Fischli. VN/HARTINGER

Der Schweizer Peter Fischli bewältigt das Kunsthaus Bregenz mit viel Ironie.

Bregenz Was kein edles oder kein Baumaterial an sich, aber dennoch sichtbar ist, das hat Kunsthaus-Architekt Peter Zumthor nicht geduldet. Die Betonwände im Inneren sind schön wie Marmor, der Tresen in der Empfangshalle aus seltenem Holz, die Lampenschirme vom Feinsten. Wer nun das Haus betritt, ist zwar nicht mit Schäbigem, aber mit Billigem konfrontiert: Pressspan für die Rezeption und banale Lampenverkleidungen stechen ins Auge. Aber Achtung, im zweiten Geschoß kommt es noch dicker, dort begeistern zwar Affenfiguren, die in jeweils gleicher Körperhaltung sozusagen als Herde auftreten, Konturen verleiht ihnen allerdings ein Allerweltsmaterial, nämlich Abdichtschaum. Affig kommt Peter Fischli dem Schweizer Stararchitekten zwar nicht, dem international höchst renommierten, ebenfalls aus der Schweiz stammenden Künstler ist Ironie aber ganz und gar nicht fremd. Fischli (geb. 1952), der schon im Duo gemeinsam mit David Weiss (1946-2012) bei der Hinterfragung der Beurteilung von Kunst zur Höchstform auflief, verleiht der uralten Frage, was denn überhaupt Kunst ist und was wir als Kunstwerk bezeichnen, erneut Relevanz.

Lustvoller Parcours

Eine Fragestellung, die sich rasch in grauer Theorie erschöpfen oder zu einer verkopften Schau geraten könnte, verwandelt er in einen lustvollen Parcours, mehr noch, die von KUB-Direktor Thomas D. Trummer ausgesprochene Einladung hat ihn derart erfreut, dass er neben der eigentlichen Rolle als Künstler gleich noch eine zweite übernahm, nämlich die des Kurators. Sein Name steht mit Fug und Recht als Titel über der neuen Schau im Kunsthaus, er hat nicht nur alle Werke geschaffen bzw. entworfen, sondern auch die Ausstellung und übernimmt gleich auch noch die Vermittlungsarbeit. Auf der Rückseite eines zur Mitnahme bereitgelegten Plakats findet der Besucher Erläuterungen zu Interventionen und Exponaten in jedem Stockwerk. Schon bei den Halterungen für das zum Poster auseinanderfaltbare Papier beginnt die Beschäftigung mit dem Authentischen. Anfangs noch aus einfachem Material werden sie zum bronzenem Kunstobjekt, das man sowieso am liebsten pur betrachtet. Doch wie verhält es sich mit den einfachen Dosen, Boxen und Schachteln, die Fischli auf Podeste stellt? Ist die Sache mit dem Readymade, dem Alltagsobjekt, das zum Kunstwerk erhoben wird, nicht bereits ausgelutscht? Jedenfalls nicht, wenn Fischli bei seinem vielschichtigen Spiel mit Zuordnungen und Beurteilungen auf die Kunstgeschichte verweist, auf die beginnende Abstraktion, auf geometrische Formen oder gar das Quadrat, mit dem Malewitsch (1878-1935) vor mehr als 100 Jahren die Kunst vom Gewicht der Dinge zu befreien trachtete. Der Bregenzer Maler Rudolf Wacker (1893-1939) hat aus demselben Grund gerne einmal eine leere Schachtel in seine Stillleben gemalt.

„Ich kenne das Kunsthaus Bregenz und seine gesamte Geschichte sehr gut.“

Peter Fischli, Künstler

Wie eine Anekdote nimmt sich die Geschichte vom Affenbild aus. Fischli hatte es als Zehnjähriger geschaffen. Unter dem Titel “Phantom of the Authentic” stellte er es der Städelschule als Professoren-Edition zur Verfügung, die reißenden Absatz fand. Mittlerweile gibt es die Affen, wie erwähnt, als Reliefs aus Abdichtschaum, deren Herstellung einiges an Aufwand bedurfte, die aber auch an den einstigen Akademiestreit erinnern, nach dem nur das Hehre als Kunst durchgehen darf, das Profane, für das die Künstler als Affen verunglimpft wurden, nicht. Haben wir die Fragestellung überwunden?

Peter Fischlis Affen sind in gewisser Weise auch autobiografisch. Hier sind es aus triftigem Grund Reliefs aus Abdichtschaum. <span class="copyright">KUB/Tretter</span>
Peter Fischlis Affen sind in gewisser Weise auch autobiografisch. Hier sind es aus triftigem Grund Reliefs aus Abdichtschaum. KUB/Tretter

Vielleicht noch nicht, scheint Peter Fischli zu meinen, der es im obersten Stock erneut mit der Architektur aufnimmt. Wie Wolken wirken seine Wandskulpturen, für die er Papier an den Rändern abbrannte. Es könnte sich auch um angedeutete Durchbrüche in den Außenraum handeln, der sich über das Beleuchtungssystem ohnehin im Inneren des KUB spiegelt. Fischli wertet nicht, doch das subtile Lichtspiel beglückt wohl nachhaltiger als der Adrenalinschub bei der Ausübung eines Freizeitsports, bei dem sich Akteure, wie er zeigt, mit GoPro-Kameras filmten.

Eröffnung der Ausstellung: 12. September, 15 bis 20 Uhr; geöffnet im Kunsthaus Bregenz bis 29. November, Di bis So, 10 bis 18 Uhr, Do bis 20 Uhr.

Skulpturen von Peter Fischli, die wesentliche Fragen zur Kunst aufwerfen. <span class="copyright">VN/Hartinger</span>
Skulpturen von Peter Fischli, die wesentliche Fragen zur Kunst aufwerfen. VN/Hartinger
Schon im Foyer wird Exquisites in Billiges verkehrt, um Rollen und Beurteilungen zu hinterfragen. <span class="copyright">KUB/Tretter</span>
Schon im Foyer wird Exquisites in Billiges verkehrt, um Rollen und Beurteilungen zu hinterfragen. KUB/Tretter