Frei sein mit Komponistinnen

„Pforte“-Reihe geht nach langem „Konzertfasten“ inspirierend weiter.
FELDKIRCH Es ging beim vierten Abo-Konzert der „Musik in der Pforte“ am Wochenende wieder einmal um das erklärte Lieblingsthema ihres Kurators Klaus Christa – komponierende Frauen der Vergangenheit. Zunächst aber war allseits die Erleichterung groß, dass man nach zwei entfallenen Projekten und einer endlos scheinenden Zeit des „Konzertfastens“ (Christa mit Galgenhumor) überhaupt wieder spielen durfte. Trotzdem hatte Corona neben logistischen Anforderungen im Saal auch die Besetzungsliste bestimmt, weil zwei bewährte Kräfte aus Norwegen, bzw. England keine Ausreisegenehmigung nach Österreich erhielten. So bekam durch die Pandemie auch das zunächst anders gedachte Motto des Abends, „Frei sein – der Tanz auf dem Seil“ eine neue Bedeutung.
Vergessenes Meisterwerk
Im Zentrum stand Musik zweier in dieser Reihe bereits bekannter französischer Komponistinnen, deren Karrieren in einer von Männern dominierten Musikwelt ein Balanceakt zwischen Willenskraft und Diplomatie war. Das Schicksal von Mélanie Bonis (1858-1937) mutet an wie eine griechische Tragödie. Sie wurde zur Heirat mit einem Witwer mit fünf Kindern gezwungen und musste ihr eigenes Kind, dessen Vater ihr Geliebter war, lange verheimlichen. 1905 gelang es ihr, das erste Klavierquartett B-Dur op. 69 zu komponieren. Es ist ein heute vergessenes Meisterwerk, als Dokument seiner Zeit mit einer unglaublichen Fülle an tief empfundener spätromantischer Melodik und Harmonik ausgestattet, die in kunstvoller Verarbeitung ein ausgereiftes Ganzes ergeben. Das ist glühend leidenschaftliche Musik, aufgemischt durch ein freches Scherzo mit Pizzicati, ein in Moll verdüstertes Andante und einen lichtvoll lebendigen Finalsatz. Die Musiker bringen sich mit Haut und Haar ein: die japanisch-amerikanische Geigerin Mayumi Kanagawa, die als glänzende Einspringerin dieses Werk neu einstudieren musste und es exzellent spielt, die in ihrer technischen Brillanz überraschende russische Pianistin Katya Apekisheva sowie als Stammspieler der auch als Musiker geschätzte Klaus Christa an der Bratsche und Mathias Johansen am Cello, der als Kammermusiker im Land längst eine feste Größe ist.
Das Schicksal der zweiten vorgestellten Komponistin, Louise Farrenc (1804-1875), ist nicht so dramatisch. Sie hatte einen Mann, der ihre Musik über einen Verleger international bekannt machte, auch wenn sie heute längst wieder vergessen ist, und den Zeitgenossen Robert Schumann, der ihr Werk sehr positiv beurteilte. Das Programm ermöglicht den direkten Vergleich zwischen Schumanns Klavierquartett Es-Dur und dem großen Klavierquintett a-Moll, op. 30 von Farrenc, beide auf höchstem Level musiziert. Natürlich ist Schumanns Werk routinierter, eleganter, aber auch Farrenc bringt in ihrer direkten, einfacheren Tonsprache der vier Sätze Gedanken und Motive ins Spiel und erzielt schon durch die erweiterte Besetzung mit Kontrabass (Dominik Wagner) oft fast orchestrale Wirkungen. Dabei erinnert ihr Werk stellenweise fast an ein Klavierkonzert. Interessant das mehrfach angewandte, entwaffnend naive Prinzip, eine schöne Melodie nacheinander von den drei höheren Streichern vorstellen zu lassen, wo einer den anderen wie bei einem Wettbewerb zu übertrumpfen versucht, bevor es an die Vollendung geht. Endlich wieder ein „Pforte“-Abend von großer kammermusikalischer Intensität und Intimität, wie ihn das Publikum liebt und allzu lange vermissen musste.
Nächste Projekte: 1. Oktober, 19 Uhr, 2. Oktober, 20 Uhr, Pförtnerhaus Feldkirch; 3. Oktober, 17 Uhr, Bergmann-Saal Hittisau, Bachs Brandenburgische Konzerte Nr. 3, 4, 6.