Bechtolds Tierleben, Sehnsucht nach Venedig und Geschirrtuch-Sprüche

17 Vorarlberger Kunstschaffende mit „Konstellationen des Möglichen“ in der Artenne.
NENZING Das Motto der Artenne-Herbstausstellung ist weit gefasst, extrem weit. Bewusst lässt Kurator Karlheinz Pichler alle möglichen „Konstellationen des Möglichen“ zu, was der Artenne eine unterhaltsame Schau mit nicht weniger als 17 Positionen Vorarlberger Kunstschaffens verschiedenster Couleur beschert. Dazu zählen Aushängeschilder und Newcomer, Viel-Aussteller und selten Anzutreffende, GrafikerInnen, ZeichnerInnen, MalerInnen, dem dreidimensionalen Objekt Zugetane ebenso wie FilmerInnen und Konzeptualisten. Eine kleine Besonderheit am Rande: Die acht Künstlerinnen und neun Künstler erhalten für ihre Teilnahme aus dem Fördergeld der Artenne und eingesparten sowie von den Vereinsmitgliedern übernommenen Posten ein Honorar von 500 Euro.
Tierisches und Totes
Aufbrüche, in der Vergangenheit ansetzen und in die Zukunft blicken und die Gegenwart als kurzen Moment des Übergangs begreifen, innere und äußere Heimat, ein Philosophieren zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit im Kunstwerk – das Ausstellungsmotto lässt Vieles zu. Und natürlich sind viele Arbeiten der letzten Monate auch von den Erfahrungen des Lockdowns geprägt. Einer, der sich in dieser Phase quasi selbst einen Intensiv-Malkurs verschrieben hat, mit bis zu 12 Stunden täglich vor der Leinwand, ist Gottfried Bechtold, immer für eine Überraschung gut. Rund 200 Tierbilder im Format 20 x 20 Zentimeter (eine Anspielung auf das Jahr 2020) sind dabei entstanden. Frei aus dem Gedächtnis gemalt, umfasst Bechtolds Tierleben nicht nur den heimischen Gockel, Rehbock und Hasen, der wohl nicht zufällig an Dürer erinnert, oder einen allerliebst dreinschauenden Otter, sondern auch Exoten und nicht genau zu benennende Arten. Tierisch im weitesten Sinn auch Norbert Pümpels Auseinandersetzung mit dem Katzenparadoxon Schrödingers als Klassiker der modernen Physik und die Arbeiten der aus Nenzing stammenden Monika Thomas, die sich mit Natur, Umwelt und Franz von Assisi befasst und nach langen Jahren in Australien wieder zurück in Vorarlberg ist. In einer Werkserie beschäftigt sie sich mit überfahrenen Tieren, für die sie als wahre Kleinode Todesanzeigen erstellt.
Gesticktes und Gepixeltes
Alois Galehr, Venedig-Liebhaber und Reisender, hat seinen Sehnsuchtsort per Webcam besucht. An 133 aufeinanderfolgenden Tagen von April bis August dokumentiert er mit Screenshots und Handyfotos die Veränderungen am Bacino di S. Marco und markiert diese mit roten Stecknadeln. Cornelia Blum-Satler stickt Handlungsanweisungen und Sprüche in Corona-Zeiten in „Voradelbergerisch“ auf altes Leinen und hängt die Tücher an eine Wäscheleine unterm Artenne-Dach, während die Installation aus verknüpften Gummidichtungsbändern für Fenster von Franziska Stiegholzer und Dorothea Rosenstock ein Netzwerk über drei Stockwerke bildet. „Contouring“ heißt ein wieder großartiger Film von Veronika Schubert in der Auseinandersetzung mit Schönheitsstandards und medial reproduzierten Strukturen: Textilmuster in Blau und Weiß verdichten und verpixeln sich allmählich zu den Gesichtern von Influencerinnen, die per Toncollage zu hören sind, wie sie in ihren Beauty-Tutorials Schminktipps geben.
Weiters zu sehen: Collagen und Überkringelungen von Michael Mittermayer, Endlos-Malerei von Harald Grünauer, verkehrte Welt bei Harald Gmeiner, höchste grafische Präzision von Melanie Berlinger, pulsierende Striche in roter Tusche von Ruth Rhomberg-Malin, figurative Malerei von Thomas Hoor und die verwaisten, menschenleeren Gassen von Schruns in den S/W-Fotos von Manfred Schlatter. Mystische, geheimnisvolle Landschaft und Architektur in Schwarz, Weiß und Grau stellt Alexandra Wacker dar, während Stefan Waibel dem Holzrohling einer Madonna mit Kind eine Sonderbehandlung mit fluoreszierenden Punkten angedeihen und sie mit grünen, wirbelnden Rotorblättern als Heiligenschein fast abheben lässt. Ariane Grabher
Die Ausstellung ist in der Artenne Nenzing, Kirchgasse 6, Nenzing, bis 11. Oktober geöffnet, Mi und So von 16 bis 19 Uhr, bei Veranstaltungen sowie nach Voranmeldung unter 0664 73574514.



