Künstler müssen eine Haltung einnehmen

Hanna Putz zeigt Fotokunst im Flatz Museum.
DORNBIRN Die Kunst hat zwar ihre eigene Wahrheit, doch gerade der Fotografie mit ihrer scheinbar realitätsabbildenden Funktion wird ein besonderer Wahrheitsgehalt zugesprochen. Denn, wie es so schön heißt: „Die Kamera lügt nicht.“ Eine, die sich mit der Wahrheit vor und hinter der Kamera bestens auskennt, ist die 1987 geborene, in Berlin lebende und arbeitende Wienerin Hanna Putz.
Bevor Hanna Putz als Fotografin bekannt wurde, war sie ein gefragtes Model auf den internationalen Laufstegen. Seit 2009 widmet sie sich, ebenso erfolgreich, ausschließlich der Fotografie und publizierte ihre Aufnahmen in renommierten Zeitschriften und Magazinen wie „HUSK“, „New York Magazine“ oder dem „Zeit Magazin“. Das Flatz Museum in Dornbirn zeigt unter dem Titel „Everything else is a lie“ eine Auswahl von Werken aus dem gleichnamigen Fotoessay der Künstlerin, der 2019 im Eigenverlag „Pampam Publishing“, den Putz gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem Maler Daniel Richter, gegründet hat, in Buchform erschienen ist. Von den insgesamt 50 Fotografien, die sich im Bildband zu einer eigenen Geschichte verdichten, ist in Dornbirn knapp die Hälfte zu sehen.
Kunst mit Haltung
Wahrheitsverkündungen steht Hanna Putz kritisch gegenüber. Ebenso dementiert sie den „Ansatz der Demonstration von Realität in der Fotografie“, wie sie einmal in einem Interview geäußert hat. Wenn, dann handelt es sich um eine eigene Realität und um eigene Wahrheiten, wie sie von Politikern wie Donald Trump vertreten werden. Vor diesem Hintergrund und im Zeitalter von Fake News und der immer noch weiter reichenden Inszenierung in den sozialen Medien ist der Titel „Everything else is a lie“ entstanden. Für Hanna Putz, die Autodidaktin ist und ausschließlich analog fotografiert, muss Kunst eine Haltung einnehmen können. Hat sie zu Beginn vor allem noch Modestrecken und Porträtaufnahmen produziert, so wurde ihr dieses Feld bald zu restriktiv und sie hat sich freieren Arbeiten zugewandt. Von der Eigenständigkeit ihrer Bildauffassung und dem guten Auge und Händchen der Künstlerin für Menschen und Situationen legen die im Flatz Museum gezeigten Arbeiten in verschiedenen Formaten beredtes Zeugnis ab.
Verhaltensweisen enthüllen
Wichtigstes Gestaltungsmittel für Hanna Putz ist die Wahl des Ausschnitts, die sorgfältige Komposition, die Menschen und Gesichter gerade noch ins Bild hineinlugen lässt und den Betrachter zum gedanklichen Fortsetzen des Fotos animiert. Hanna Putz findet und fotografiert ihre Motive im Alltäglichen, auf der Straße, im Freundeskreis, in den Clubs der Stadt oder beim Sport, mit großer Unmittelbarkeit und Ehrlichkeit. Auch das feine Gespür der Künstlerin für Form und Farbe, kleine Gesten und Details, zieht sich durch, wenn das starke Grün und Blau zweier Trainingsjacken aufeinander trifft oder die Aufnahme eines Betts mit Decken, Laken, Kissen, einem gemusterten Teppich davor und angedeuteten Körpern auf den ersten Blick wie ein abstraktes Gemälde wirkt. Überhaupt entsteht durch die charakteristische, grobe Körnung der Fotografien häufig ein malerischer Eindruck, ebenso wie durch die Wahl der Motive. Rückenansichten, wie jene Frau im geringelten Shirt, die Arme in die Luft streckend, mit Kind am Wasser („Moscow“ betitelt), oder die im Vorbeigehen abgelichteten, in diesem Moment vom Zwang der Selbstpräsentation befreiten Personen enttarnen die Künstlerin als stille Beobachterin, lassen eine fast intime Atmosphäre von Privatheit entstehen. Hanna Putz Gabe ist es, die ihrer „spektakulären und lauten Elemente“ entledigten Protagonisten in ihrer ganzen Fragilität zu zeigen, menschliche Verhaltensweisen und Beziehungen zu enthüllen, dabei aber stets ihre Integrität zu wahren. Auch das ist Wahrheit.

Zur Person
Hanna Putz
Fotografin
Geboren: 1987 in Wien
Werdegang internationale Karriere als Model, seit 2009 autodidaktisch als Fotografin tätig; Mitgründerin des Verlags PAMPAM Publishing
Laufbahn Publizierte Arbeiten u.a. im Zeit Magazin, Dazed & Confused, HUSK, New York Magazine, Ausstellungen u.a. MAK, Kunsthalle Wien, Museum of Contemporary Photography Chicago, FOAM Amsterdam
Wohnort Berlin und Wien
Die Ausstellung ist im FLATZ Museum, Marktstraße 33, Dornbirn, bis 9. Jänner 2021 geöffnet, Fr von 15 bis 17 Uhr, Sa von 11 bis 17 Uhr.