Ein politischer Rahmen, der schaudern lässt

Kultur / 30.10.2020 • 18:10 Uhr
Die F*ck-it-ListeJohn Niven,Heyne Verlag,320 Seiten

Die F*ck-it-Liste

John Niven,

Heyne Verlag,

320 Seiten

John Niven nähert sich in Romanform den USA.

Roman Wieder ist das Undenkbare wahr geworden: Donald Trump hat auch die Präsidentschaftswahl 2020 gewonnen und die Macht 2024 nach acht Jahren an seine Tochter Ivanka übergeben. Jetzt, im Jahr 2026, ist Amerika ein restlos verrohtes, rassistisches Land, das Atomkriege gegen Nordkorea und Iran geführt hat, Immigranten mit einer Geheimpolizei jagt und die meisten seiner Bürger zu stumpfen Trump-Brüllern erzogen hat. Was sich wie ein Albtraumszenario liest, hat der schottische Kultautor John Niven zur Basis seines neuen Romans gemacht. Gleichwohl ist „Die F*ck-It-Liste“ keine hölzern missionierende Anti-Trump-Polemik, sondern ein spannender Rachethriller, der die gar nicht so weit entfernte USA-Dystopie geschickt mit der Tragödie des Journalisten Frank Brill verknüpft. Denn dieser eigentlich aufrechte Mann aus dem Bundesstaat Indiana – Anfang 60 und todkrank – hat nichts mehr zu verlieren. Anstatt eine positive „Bucket List“ zu schreiben (also eine Liste mit schönen Dingen, die man im Leben gerne noch tun möchte), macht sich Brill daran, seine „Fuck-it-Liste“ mit lauter Unsympathen abzuarbeiten.

Das Listen-Wortspiel ist nicht der einzige derbe Spaß, den sich Niven gönnt. Wenn er mit triefendem Sarkasmus die faschistoide Protz- und Lügen-Dynastie der Trumps von 2026 beschreibt, bleibt dem Leser zwar häufig das Lachen im Halse stecken. Der nun 80-jährige Patriarch hat sich keineswegs aus der Politik zurückgezogen, sondern zieht hinter Ivanka die Fäden. Deren Ex-Mann Jared Kushner muss derweil „für den gewaltigen Haufen Mist, den sein Schwiegervater verbockt hatte, den Kopf hinhalten“ – im Gefängnis.

Während die Präsidentenfamilie überwiegend in Saus und Braus lebt, zieht der vermeintlich harmlose Frank Brill los, um reinen Tisch zu machen. „Die F*ck-it-Liste“ überzeugt als teilweise brutaler Krimi, in dem man gebannt den Spuren eines ungewöhnlichen Anti-Helden folgt, der einem Quentin-Tarantino-Film entstammen könnte. Virtuos setzt Niven – mittels Brills Erinnerungen und Beobachtungen im Amerika einer nahen Zukunft – einen politischen Rahmen, der schaudern lässt. Und wenn er im Schlussteil einen entfesselten Donald Trump mit wirren Sätzen über „Fake News“ auf den Leser loslässt, dann möchte der am liebsten in Deckung gehen. Niven hat, wie er kürzlich sagte, mit seinem Buch „früh in diesem ganzen Trump-Albtraum angefangen“. Die Vision eines Präfaschismus in den USA spielt er mit Konsequenz durch, um auch die eigene Furcht vor einer zweiten Amtszeit des monströsen Blonden irgendwie zu bannen.