Kunst mit Klasse

Die Installation von Paul Mittler im DWDS bietet Raum zur Selbstreflexion.
Bregenz Wer dieser Tage in den Schauraum des Bregenzer DWDS (Die Wiedergeburt des Schaufensters) blickt, der sollte seine rosa Brille aufsetzen. Unter dem marktschreierischen Titel „Wie funktioniert das mit dem Sex?“ lädt der in Wien lebende Künstler Paul Mittler (29) dazu ein, sich gleichsam seiner eigenen Vergangenheit und der gesellschaftlichen Zukunft zu stellen.
Die Rauminstallation ist vom Gedankenspiel her eine Fortsetzung von Mittlers Diplomarbeit, in welcher der Maler acht Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren porträtiert hat, deren Fahndungsfotos aufgrund von Raubüberfällen in der U-Bahn-Zeitung abgedruckt waren. „Da beginnt man sich schon zu fragen: Wie war ich überhaupt mit 14 Jahren drauf? Worauf lag mein Fokus, was waren meine Perspektiven, wie hat die Schule mich beeinflusst“, erklärt der Künstler.
Frontalunterricht
Mit seiner ersten Rauminstallation schafft Mittler ein Spannungsfeld zwischen Readymade und Autorenschaft. Acht mitteldicke Holzfaserplatten wurden zu bemalbaren Tafeln umfunktioniert. Die Schulbank sowie der Overheadprojektor sind Leihgaben der VS Fußach und werden Anfang März auch wieder ins Schulgebäude der Rheindelta-Gemeinde zurückkehren. Ob der Projektor dann beim Unterrichten der Kinder noch eine Rolle spielt, ist aber eher unwahrscheinlich. „Das Bilderbuch-Konzept vom Klassenraum mit Frontalunterricht ist veraltet“, ist sich Mittler sicher. Die derzeitige Situation mit Fernunterricht und dem Feldversuch der Digitalisierung von Wissensvermittlung gibt ihm recht.

Die Szenerie im DWDS ähnelt daher auch eher den Bildern aus der Stadt Prypjat nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl als einem romantisierten Schulalltag mit den Lümmeln aus der ersten Bank. Herumliegende Arbeitsblätter und Tafeln zeugen von einem überhasteten Aufbruch, unter dem Tisch liegt noch ein in Zellophanpapier verpacktes Jausenbrot. Der Raum ist der stetigen Verwahrlosung durch die Zeit ausgesetzt. Nur die Scherenschnitt-Schneeflocken am Fenster lassen zumindest eine jahreszeitliche Einordnung zu. Die Frage, wie es soweit kommen konnte, muss sich der Betrachter selbst beantworten. An diesem Punkt entsteht auch der Konnex zum Nonsens. Auf den Tafeln und Blättern sind keine mathematischen Formeln oder gar Schönschreibübungen zu sehen, sondern abstrakte Zeichnungen, ein organisiertes Gekritzel aus Tusche, Kugelschreiber und Aquarell.

Am heutigen Samstag, 6. Februar, wird Mittler zur Abenddämmerung (ca. 18 Uhr) eine kurze, von außen einsehbare Performance mit dem Overheadprojektor vollführen. Am Ende des Tages ist bei Paul Mittler also immer etwas Malerei im Spiel.
ZUR PERSON
Paul Mittler
Geboren 1992 in Bregenz
Ausbildung Akademie der Bildenden Künste in der Klasse von Daniel Richter
Laufbahn diverse Publikationen und Ausstellungen, u. a. Teilnahme an der Bregenz Biennale 2014
Die Ausstellung ist noch bis zum 27. Februar im DWDS in Bregenz, Jahnstraße 13–15, zu sehen. www.dwds.info