Mehr nur für die Wirtschaft
Vor einigen Tagen war eine interessante Meldung zu lesen: Das Land Vorarlberg steigert seine Ausgaben für den Hoch- und Straßenbau erheblich. Heuer sollen dafür 150 Millionen Euro ausgegeben werden, über 30 Millionen mehr als im vergangenen Jahr. Durch diese Investitionen wolle man die Wirtschaft in dieser „sehr schwierigen Phase“ durch Investitionen ankurbeln. Das ist doch ganz erstaunlich, dass in Zeiten wie diesen, wo auch öffentliche Haushalte knapp werden, wo nahezu überall gekürzt wird, solche Steigerungen möglich sind. Bei manchen Projekten kann man das durchaus nachvollziehen, etwa beim Umbau des Landeskrankenhauses Feldkirch, ebenso bei Bauten an der Fachhochschule, der Landesberufsschule Dornbirn oder der Landesbibliothek in Bregenz. Etwas schwerer sind die Millionen, die in die Tunnelspinne in Feldkirch oder andere Straßenprojekte investiert werden sollen, zu verstehen. Bei den Hochbauprojekten kommen nicht zuletzt heimische Handwerker, auch kleinere Betriebe zum Zug, bei den Straßenbauten schaut das wohl anders aus.
„Damit retten wir mindestens so viele Arbeitsplätze wie in der Wirtschaft – und helfen dazu noch, den künstlerischen Geist über die Krise zu bringen.“
Das aber ist nur die eine Seite, die andere ist, dass Steigerungsbeträge von 30 Millionen Euro von einem Budgetjahr zum anderen natürlich auch Vergleiche herausfordern. Vergleiche mit Bereichen, in denen im gleichen Zeitraum gespart wird, wo das Budget gekürzt wird. Und da fällt mir natürlich zuerst die Kultur ein. In die Wirtschaft wird in Corona-Zeiten Geld gepumpt, der Kunst und Kultur wird es entzogen. Nun will ich die einzelnen Bereiche gar nicht gegeneinander ausspielen, aber doch fragen, warum das eine – die immense Steigerung – möglich, das andere – die Kürzung – aber notwendig ist. Denn allein das Totschlagargument der Arbeitsplätze kann nicht gelten. Man hätte doch auch sagen können: Die Wirtschaft muss unterstützt werden, aber es müssen ja nicht gleich 30 Millionen mehr sein. Es genügen auch 25 Millionen. Und die verbleibenden fünf Millionen stecken wir in die Kultur, die geben wir den Künstlerinnen und Künstlern, den kleinen Veranstaltern, den kleinen Theatern und Orchestern. Damit retten wir mindestens so viele Arbeitsplätze wie in der Wirtschaft – und helfen dazu noch, den künstlerischen Geist über die Krise zu bringen. Und wir können nach der schwierigen Zeit die Menschen mit Ausstellungen, Theater, Musik, Lesungen und Diskussionen erfreuen und wieder zusammenbringen. Das kann nur die Kunst, denn sie wäscht – nach einem bekannten Satz von Pablo Picasso – den Staub des Alltags von der Seele. Und das haben wir nach Corona dringend nötig.
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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