Von Lebenslügen und Hoffnung

Das Landestheater hat „Alle meine Söhne“ von Arthur Miller neu im Programm.
Bregenz Joe Keller ist im Krieg reich geworden. Er ist erfolgreicher Unternehmer, führt mit seiner Familie ein Leben im Wohlstand. Dass seine Firma fehlerhafte Maschinenteile für Flugzeuge lieferte, führte zum Tod von 21 Piloten, die bei den Abstürzen ums Leben kamen. Darüber ist längst Gras gewachsen. Sein Nachbar und damaliger Partner Steve ging dafür als Massenmörder ins Gefängnis, während er selbst das Gericht von seiner Unschuld überzeugen konnte. Sein jüngerer Sohn Chris ist nun die Nachwuchshoffnung des Unternehmens, denn sein älterer Bruder Larry, ein Kampfpilot, gilt seit Jahren als verschollen. Nur Kate, die Mutter, hält zwanghaft am Glauben fest, dass ihr Sohn noch lebt. Das Drama „Alle meine Söhne“ aus dem Jahr 1947 beruht auf wahren Begebenheiten. „Alle meine Söhne“ soll im Mai am Vorarlberger Landestheater vor Publikum Premiere feiern. Die VN wurden vorab zur Generalprobe eingeladen.
Hervorragendes Ensemble
In Ohio zeigte eine Tochter ihren Vater beim FBI an, weil er den Staat mit schadhaften Flugzeugteilen beliefert hatte. Aus der Tochter wurde bei Miller ein Sohn und er begründete damit seine Karriere als einer der größten amerikanischen Dramatiker der Moderne. Denn nachdem sein Drama „The man who had all the luck“ nach nur vier Vorstellungen am Broadway abgesetzt worden war, schwor sich Arthur Miller, dass „Alle meine Söhne“ sein letzter Versuch sein sollte, ein erfolgreiches Bühnenstück zu schreiben. Das Drama gewann wichtige Theaterpreise und begeisterte das Publikum auf Anhieb.
In „Alle meine Söhne“ kommt es zwischen dem Ehepaar Joe und Kate Keller, ihrem Sohn Chris und den ehemaligen Nachbarskindern Ann und George Deever zu einer spannungsgeladenen Auseinandersetzung. Mutter Kate hält daran fest, dass ihr seit Jahren nach dem Krieg noch immer verschollener Sohn Larry leben muss. Jeder Versuch der Familie, sie mit dem Tod des jungen Jagdfliegers zu konfrontieren, endet in Wutausbrüchen. Katharina Uhland spielt ganz wunderbar eine Mutter, die unbeirrbar am Leben ihres Sohnes festhält. Sie wechselt von hysterischen Ausbrüchen zu Sanftheit, aber auch Unerbittlichkeit. Kate ist genauso furchterregend wie unheimlich.
Ehemann Joe lebt sein Leben angeblich unter dem Motto „alles für meine Familie“, die der Choleriker mit herrischem Gehabe dirigiert. Günter Alt überzeugt als Täter und Meister der Verdrängung. Sein Joe spricht sich wütend und laut, doch zunehmend mit mangelnder Glaubwürdigkeit, von der Schuld am Tod der Piloten frei und versucht die bröckelnde Fassade seiner Familie zu kitten. Chris Keller, der zweite Sohn, lebt als Firmenjunior im Elternhaus und hütet sich vor dem Zorn der Mutter, als er seine geheime Verlobte Ann vorstellen will, einst die Verlobte seines Bruders Larry und außerdem die Tochter von Kellers Partner Steve.
Luzian Hirzel spielt beeindruckend einen sympathischen jungen Mann, der sich der Lebenslüge seiner Eltern beugt und zu schwach ist, um aufzubegehren. Selbst als Ann auftaucht, versagt er in seiner Rolle als Liebender. Vivienne Causemann agiert sehr stark in ihrer Darstellung der Ann, die sich von ihrem Vater seit dessen Verurteilung konsequent abgewendet hat. Erst als ihr Bruder George überraschend bei Kellers auftaucht, wird Ann aktiv und beweist Kate unerbittlich die brutale Wahrheit. Konstantin Lindhorst spielt George Deever, der seinen Vater rehabilitieren möchte. Glaubhaft zeigt er sein Schwanken zwischen seiner Rolle als Rächer und den liebevollen Erinnerungen an seine Nachbarin Kate. Und dann bringt ein kleiner Versprecher alles ins Wanken.
Kreatives Brüderpaar
Regisseur Niklas Ritter lässt die Schauspieler schreien, durcheinanderreden und auch lange schweigen. Damit erzeugt er in einer dichten Inszenierung atemberaubende Spannung. Gemeinsam mit seinem Bruder Tilman Ritter schuf er zudem einen musikalischen Abend. Tilman Ritter komponierte Musik zu den Monologen der Schauspieler, die Millers Originaltext singen. Ganz nebenbei spielen die Darsteller auch die Instrumente, die seitlich von der Bühne stehen.
Musikerin Pauline Jung agierte zudem überzeugend in der kleineren Rolle der Lydia Lubey. Regisseur und Bühnenbildner Niklas Ritter lässt die Schauspieler auf schwarzem Rasen an einem einfachen Holztisch mit ein paar Stühlen in Kostümen von Ines Burisch agieren. Alle meine Söhne, das sind die Opfer der defekten Maschinenteile, mit denen 21 Piloten in den Tod flogen. Wo bleibt unsere soziale Verantwortung bei der Absicherung unseres Wohlstands? Wer verdient eigentlich bei uns am Kampf gegen den internationalen Terrorismus, und was passiert mit den Söhnen, die aus Afghanistan zurückkehren? Fragen über Fragen stellen sich nach einem fesselnden Abend, der die Zuschauer nachdenklich zurücklässt.
Die Premiere von „Alle meine Söhne“ findet im Mai am Vorarlberger Landestheater statt. www.landestheater.org