Der Rhythmus bestimmt Wolfgang Lindners Leben

Zwischen Konservatorium, SOV-Auftritten und Komponieren blieb Wolfgang W. Lindner kaum Zeit für Muße.
GÖFIS Als Musiker verkörpert er das pulsierende Leben – auch als Mensch ist Wolfgang W. Lindner ein umtriebiger, ideenreicher Zeitgenosse. Nach 39 Jahren als Professor für Schlagzeug am Konservatorium tragen viele Schüler seinen Ruf in großen Orchestern und auch als Lehrer weiter, er selbst hat seinen Lehrmeister in Herbert Willi gefunden, der ihn zu einem der wichtigsten Komponisten im Land gemacht hat.
Ihr Kompositionsstil ist wesentlich vom Rhythmus bestimmt – eigentlich klar für einen Schlagzeuger, oder?
Ja, denn es heißt: „Im Anfang war das Wort …“, und dieses ist für mich bereits Rhythmus. Zunehmend wurden dann Melodien, Harmonien, Farben, Klänge genauso wichtig.
In Ihrer Jugendzeit in Salzburg war es aber nicht der Rhythmus von Mozart, sondern jener der Beatles und Rolling Stones, der Sie zunächst fasziniert hat?
Da dem frühen Schulkind einer „Blockflötenkarriere“ durch die Ohrfeige des Lehrers ein jähes Ende gesetzt wurde (lacht), erwachte der praktisch-musikalische Betätigungsdrang erst später wieder, hauptsächlich inspiriert durch die Beatles und weihnachtliches Musizieren mit meiner Mutter.
Sie wurden nach Ihrer umfassenden Ausbildung zu einem gefragten Pauker und Perkussionsspezialisten in der Region. Wie haben Sie etwa Ihre Jahre im SOV empfunden?
Zu Beginn spürte ich meistens einen guten Geist unter den MusikerInnen, mit viel Idealismus. Besonders schön war, dass meine Studenten, auch ehemalige, dort auch eine Spielwiese bekommen konnten. Sie lösten mich später ab.
Sie haben relativ spät den Wunsch gehabt, auch selber zu komponieren – was hat Sie dazu veranlasst?
Den Drang und Ideen hatte ich schon viel früher, aber da fehlte noch das entsprechende Selbstvertrauen. Perkussions-Kompositionen entstanden bereits in der Studienzeit. Den zündenden Funken in mir hat Herbert Willi ausgelöst, der mich mit seiner Arbeitsweise als Lehrer und Mensch geprägt hat. Ihm verdanke ich vor allem, so ganz zu meiner eigenen Musik zu finden – und viel Handwerk. Wir sind sehr gute Freunde geworden!
Ihre besondere Liebe unter den vielen Schlaginstrumenten galt stets dem Vibrafon?
Einer meiner schönsten Erfolge als Komponist war, dass der Star-Perkussionist Martin Grubinger 2004 in Hohenems mit dem Arpeggione-Orchester mein Vibrafonkonzert „Rodeo“ uraufgeführt hat. Und meine eigene Band „Vibes and Pipes“, in der ich auch noch in der Pension das Vibrafon spiele, ist ein erfüllendes Hobby. Es ist so schön, mit diesen großartigen Musikerfreunden Bernhard Klas, Stefan Greussing und Klaus Kemmerling zusammenzuspielen.
2019 haben Sie sich erstmals auch als Veranstalter versucht, mit dem Festival „Schallwende“ im Feldkircher Saumarkt. Was sind Ihre Erfahrungen, was ist Ihr Konzept für die Zukunft?
„Never Change a Winning Team“ – die Zusammenarbeit mit meinem Kurator-Kollegen Dietmar Kirchner sowie Sabine Benzer vom Saumarkttheater klappt ausgezeichnet. Heuer im Herbst haben wir erstmals auch einen Kompositionswettbewerb ausgeschrieben. Wir möchten vorwiegend KomponistInnen aus dem Bodenseeraum eine Aufführungsmöglichkeit bieten. Ich hoffe, unsere Erfolge werden auch die Subventionsgeber immer mehr überzeugen.
Waren Sie künstlerisch oder finanziell von Corona betroffen?
Nicht vom Geld her, sondern in der Kunst habe ich gewissermaßen am Hungertuch genagt, weil es durch die fehlenden Aufführungsmöglichkeiten auch keine Kompositionsaufträge für mich mehr gab.
Welche Schlüsse ziehen Sie daraus, wie konträr Menschen mit der Pandemie umgehen?
Ich nehme da eine beobachtende Haltung ein. Die zunehmende Spaltung der Gesellschaft finde ich problematisch und frage mich, ob es nicht zusätzlich eine Krise von der Krise sein könnte. Aber „Hut ab“ vor den Menschen, die im Medizin- und Pflegebereich tätig sind und Großartiges leisten! Ich sehe langfristig aber auch eine Chance, wieder eine Einheit unter den Menschen zu finden, wie sie ja in der Bahai-Religion angestrebt wird, zu der ich mich bekenne.
Sie möchten mit Ihrer Musik den Menschen Freude bereiten. Kann so etwas auch in der Coronakrise hilfreich sein?
Wenn ich von einer Musik begeistert bin und sie intensiv höre, bleibt mir die Zeit stehen und ich kann mich besinnen. Kunst im Allgemeinen kann eine Brücke bilden, auch hin zu mehr Geistigkeit. Fritz Jurmann
Zur Person
WOLFGANG W. LINDNER
GEBOREN 1952 in Salzburg, lebt in Göfis
AUSBILDUNG Mozarteum Salzburg, Musikhochschule München, Kompositionsstudium bei Herbert Willi
TÄTIGKEIT ab 1978 Dozent für Schlagzeug am Landeskonservatorium Feldkirch; Pauker/Perkussionist im SOV und auswärtigen Orchestern, Jazzvibrafonist, Kammermusiker, zahlreiche CD-Einspielungen, Gründer des Ensembles „VorAllPercussion“, Mitbegründer des Festivals „Schallwende“, Tourneen im In- und Ausland
KOMPOSITIONEN ca. 40 Werke, vor allem Auftragskompositionen, für diverse Perkussionsinstrumente, Kammermusik, Orchesterwerke mit Aufführungen in Österreich, Liechtenstein, Schweiz, im Bodenseeraum, Finnland, Ungarn