Ein Kunstwerk, das der Wind beeinflusst

Er hat Debatten zu Natur und Kunst bestimmt: Arbeiten des großen Österreichers Lois Weinberger im Kunsthaus Bregenz.
Bregenz In der Vorarlberger Ausstellungsgeschichte hat der Österreicher Lois Weinberger einen Markstein gesetzt. Als der Kunstraum Dornbirn aufs Areal der ehemaligen Rüsch-Werke in die unmittelbare Nähe der inatura zog und bald zudem wurde, was er heute ist, nämlich ein besonderer, bedeutender Ort im Kunstgeschehen, präsentierten dessen Leiter eine Installation von Lois und Franziska Weinberger. Wenige Jahre später waren sie im Austria-Pavillon auf der Biennale in Venedig mit einem Natur-Kultur-Diskurs vertreten. Damals machte das Bild mit der für die documenta 10 in Kassel geschaffenen Arbeit längst die Runde. Weinberger pflanzte auf einer aufgelassenen Bahntrasse Neophyten an, nämlich Pflanzen aus anderen Ländern, vorwiegend aus Osteuropa. Was als immanent politische Arbeit, nämlich als Verweis auf Migranten und deren Ansiedlung in urbanen Randgebieten rezipiert wurde, zeigte sich schließlich als Bild davon, dass sich die Natur durchsetzt. Weinberger war es auch, der zur Salzburger Festspielzeit ein Stück Asphalt aufreißen ließ, was wiederum Platz für Ruderalpflanzen schaffte.

Als Zivilisationskritiker wollte sich Weinberger nicht sehen, Debatten zu Natur und Kunst, konkrete wie philosophische, hat er jedoch angeregt oder auch bestimmt. Er habe sich schwer getan, sich als Künstler zu bezeichnen, Kunst sei aber das weiteste Gebiet, auf dem er seine Haltung zeigen konnte, sagte Franziska Weinberger nun im Kunsthaus Bregenz, wo rund um eine Neuerwerbung für die KUB-Sammlung eine Ausstellung im mittlerweile so genannten Basement eingerichtet wurde. Lois Weinberger (geb. 1947) ist vor einem Jahr gestorben. Die jüngsten Arbeiten, die Aquarelle “Green Men”, Masken, die eine Art Zwiesprache mit der Natur ermöglichen, nehmen sich als die berührendsten unter der kleinen Zusammenstellung von Objekten und Dokumenten aus, die eine Vielfalt an Geschichten in sich bergen.
Ästhetisch
“Unkrautgemeinschaften Europas” heißt das Werk, das in Vorarlberg bleibt. Die Arbeit basiert auf einer Mappe, die ein Schweizer Pharmakonzern erstellte, der die Pflanzen penibel fotografieren und beschriften ließ, um anzuführen, mit welchem Mittel sie radikal vernichtet werden können. Das Werk hat auch einen ungemein ästhetischen Reiz und tangiert damit einen Aspekt, der im Werk von Weinberger wichtig ist. Auch die Skulptur “Invasion”, die versinnbildlicht, was Pilzsporen anrichten könnten, spricht dafür. In der Wiener Secession durften sie einmal über ein geöffnetes Dach in den Raum dringen.

Auch das, was bald in den rund 900 zum Geviert aufgestellten, mit Ackererde gefüllten Kübeln vor dem Kunsthaus sprießt, wird nicht von Menschenhand beeinflusst. Eine Arbeit, wie sie etwa vor Jahren vor dem Centre Pompidou in Metz realisiert wurde, ist nun in Bregenz zu beobachten. Was es noch zu sehen gibt, bringt der Wind oder Vögel. Solange, dass sich auch der Kunststoff zersetzt, werden die Gefäße wohl nicht hier sein. Ein mulmiges Gefühl angesichts der Entsorgung der vielen Töpfe, die offenbar nicht aus Ton sein durften, bleibt.
Eröffnung der Ausstellung am 30. April, 17 bis 19 Uhr im Kunsthaus Bregenz. Geöffnet bis 4. Juli, Di bis So, 10 bis 18 Uhr, Do bis 19 Uhr.

