Fast 100 Jahre Orgelfamilie
Sie ist in ihrem Ausmaß das größte und in ihrer Präsenz das prächtigste aller Instrumente, weshalb die Orgel auch als Königin der Instrumente bezeichnet wird. Bei keinem anderen Instrument ergänzen und vereinigen sich Musik, Klang und Architektur zu einem Gesamtkunstwerk so vollkommen wie bei der Orgel. Faszinierend aber ist nicht nur das Äußere, besonders interessant ist die Bedienung der Orgel, wenn der Organist im wahren Sinn des Wortes mit Händen und Füßen spielt. Als Zuseher und Zuhörer weiß man dann nicht mehr ganz genau, soll man oben oder unten zuschauen – am besten natürlich sowohl als auch. Dazu muss man allerdings oben auf dem Chor der Kirche sein, neben dem Organisten. Diese Möglichkeit bot uns, einer kleinen Gruppe von Interessierten, Elgar Odo Polzer, Organist in der Pfarrkirche St. Gallus in Bregenz.
Es war ein ganz besonderes Erlebnis, von Odo Polzer in die Geheimnisse dieses unglaublichen Instruments eingeführt zu werden, zu erleben, wie mit dem Register der Klang von anderen Instrumenten imitiert werden kann und vieles mehr. Odo Polzer ist seit unvorstellbaren siebzig Jahren Organist in St. Gallus – und er hat diesen Ehrendienst von seinem Vater übernommen, der selbst wiederum mehr als zwanzig Jahre Organist in dieser Kirche war. Anders gesagt: Die Polzers orgeln hier seit fast einem Jahrhundert. Dabei könnte man noch weiter zurückgehen. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Ludwig Polzer in Mähren, im heutigen Tschechien, geboren, er übersiedelte dann aber als Chorleiter nach Linz. Sein Sohn Odo, geboren 1895, studierte an der Wiener Musikakademie und kam 1930 als Chorleiter nach St. Gallus, wo er auch die Vorarlberger Oratorienvereinigung gründete und sich als Komponist einen Namen machte. Bei ihm, bei Hilde von Kreutziger und Oswald Lutz lernte sein Sohn Elgar Odo, der mit siebzehn Jahren die Stelle seines Vaters übernahm und nun, mit achtundachtzig Jahren, langsam einem jüngeren Organisten Platz macht.
Es grenzt für mich, der ich beim Spielen zusehen durfte, an ein Wunder, dass man in solch fortgeschrittenem Alter noch die Konzentration aufbringt, um dieses wundersame Instrument zum Klingen zu bringen. Wahrscheinlich ging das nur deshalb, weil Elgar Odo Polzer mit Elisabeth nicht nur eine großartige Sopranistin, sondern auch eine ihn unterstützende Frau an seiner Seite hatte. Vor Kurzem haben sie wieder gemeinsam – an der Orgel und im Chor – den großen Gottesdienst in St. Gallus mitgestaltet – und das vermutlich nicht zum letzten Mal.
„Als Zuseher und Zuhörer weiß man dann nicht mehr ganz genau, soll man oben oder unten zuschauen – am besten natürlich sowohl als auch. “
Walter Fink
walter.fink@vn.at
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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