“Brenne schon darauf, im Herbst weiter zu unterrichten”

Kultur / 26.06.2021 • 14:00 Uhr
"Brenne schon darauf, im Herbst weiter zu unterrichten"
Gerhard Vielhaber kam im Alter von 31 Jahren als Dozent an das Vorarlberger Landeskonservatorium. SEBASTIAN MOSQUERA

Als Leiter einer Klavierklasse am Konservatorium legt Gerhard Vielhaber Wert auf gegenseitiges Vertrauen.

Feldkirch Mit zwei Jahren hat er das Klavier für sich entdeckt und wurde während seiner Ausbildung vielfach mit Preisen und Stipendien bedacht. Mittlerweile hat sich der Deutsche Gerhard Vielhaber als weitum gefragter Konzertpianist, Kammermusiker und Pädagoge einen Namen gemacht.

Als Sie 2014 mit 31 als Dozent an das Landeskonservatorium kamen, waren Sie etwa gerade so alt wie Bundeskanzler Sebastian Kurz, als er sein erstes Kabinett übernahm. Ist dieser Vergleich für Sie statthaft?

VIELHABER Ich glaube, sowohl die Tätigkeiten als auch die Biografien von Politikern und Musikern lassen sich schwer miteinander vergleichen. Als Musiker will ich nicht führen: Im Konzert versuchen wir, einem Publikum einen unvergesslichen Moment mitzugeben, und in unserer pädagogischen Tätigkeit, dem Einzelnen eine Freude fürs Leben. In jedem Falle wollte ich meine Stelle am Landeskonservatorium für keinen politischen Posten auf der Welt aufgeben.

Sie waren damit sicher einer der jüngsten Professoren am Haus und nicht viel älter als manche Ihrer Studenten. Wie haben Sie es mit der Disziplin gehalten?

VIELHABER Eine meiner ersten Begegnungen am Haus war eine Studentin, die am ersten Unterrichtstag in meinen Raum kam und fragte „Wartest du auch auf Herrn Vielhaber?“ Einzelne Studierende waren damals tatsächlich älter als ich selbst. Ich würde das Unterrichtsverhältnis zwischen mir und meinen Studierenden nicht als distanziert beschreiben: Das Musizieren ist eine durch und durch emotional geprägte Tätigkeit. Wenn ich nicht verstehe, wie der Mensch „tickt“, der vor mir sitzt, kann ich ihm nur schwer am Instrument weiterhelfen. Darüber hinaus gibt man als Interpret, ähnlich wie ein Schauspieler in seiner Rolle, sehr viel von sich selbst preis – wenn da kein gegenseitiges Vertrauen vorhanden ist, kann Unterricht nicht gelingen. Ich bleibe für meine Studierenden aber der „Herr Vielhaber“ – einzige Ausnahme ist das alljährliche Fußballturnier bei uns am Haus.

Was versuchen Sie im Unterricht Ihren Studenten mitzugeben, worum geht es Ihnen dabei?

VIELHABER Das Klavier ist ein perkussives Instrument – ein Gerät, das wir mit unseren Fingern bedienen. Mir geht es darum, durch den optimalen Einsatz von Motorik und Atem beim Spielen in einen „Flow” zu kommen und das Instrument singen zu lassen. Nur so kann man in ein Werk eintauchen und eine Geschichte erzählen. Die größte Herausforderung ist es dabei, die Balance zwischen Emotionen und Kontrolle zu finden. Ein stabiles Gefühl für Puls und Metrum bietet dabei das “Gerüst”, an dem man sich festhalten kann – neben der Maßgabe, dass jeder angeschlagene Ton “sprechen” soll, das Wichtigste, was ich selbst von meinem langjährigen Lehrer Karl-Heinz Kämmerling mitgenommen habe.

Sind Sie ein Lehrer, der letztlich auch selber vom Unterricht profitiert?

VIELHABER Auf jeden Fall! Ich wäre ein schlechterer Pianist, wenn ich nicht unterrichten würde. Man hört Altbekanntes mit neuen Ohren, hinterfragt unterbewusste Bewegungsabläufe jedes Mal neu. Und meine Studierenden Tag für Tag daran zu erinnern, wie man effizient übt – auch das habe ich Herrn Kämmerling zu verdanken –, hilft mir selbst, die verbleibende Zeit optimal zur Vorbereitung eigener Konzerte zu nutzen.

Gibt es in Ihrem Konzertrepertoire einen Komponisten, dessen Werk Sie besonders fasziniert?

VIELHABER Das ist wohl Johannes Brahms – in seiner klanglich vieldimensionalen Musik steckt so wahnsinnig viel Trost! Aber ich beschäftige mich auch mit unbekannteren Namen. 2020 konnte ich beispielsweise dazu nutzen, mit meinem Mariani Klavierquartett den ersten Teil eines CD-Projekts für das Label „Audax“ aufzunehmen, in welchem wir Brahms’ Klavierquartette denen seines heute zu Unrecht vergessenen Freundes Friedrich Gernsheim gegenüberstellen. Aber auch die faszinierenden Klavierwerke des belgischen Komponisten Flor Peeters (1903 – 1986) durfte ich einspielen. In Kürze kommt diese Solo-CD beim Label „Motette-Ursina“ als erster Teil einer Peeters-Reihe heraus – ein Großprojekt meines Konservatoriumskollegen Clemens Morgenthaler.

Wie waren die Wege, die Sie nach Feldkirch ans Konservatorium geführt haben?

VIELHABER Als ich die Ausschreibung sah, musste ich erst nachschauen, wo Feldkirch liegt. Mich faszinierte die Kombination von Arbeit mit Berufs- und Jungstudierenden, Soloklasse und Kammermusik. Am Abend vor dem morgendlichen Hearing hatte ich noch ein Konzert in Norddeutschland und kam erst nachts um halb drei an der verregneten Feldkircher Bärenkreuzung an – vielleicht ein Grund, warum ich bei meiner Lehrprobe nicht sonderlich nervös war. Doch von Minute zu Minute hat mich das Landeskonservatorium an dem Tag mehr verzaubert – und gottseidank hat es mit der Stelle geklappt!

Und wie ist nach sechs Jahren Ihre Bilanz über Umgang, Arbeitsverhältnisse, Klima hier?

VIELHABER In der Bodenseeregion haben wir ein neues Zuhause gefunden, in dem wir uns absolut heimisch fühlen. Ich habe das Glück, an einem innovativen Haus mit fantastischen Kolleginnen und Kollegen zu unterrichten! Auch wenn jetzt ein besonders anstrengendes Semester zu Ende geht: Ich weiß, dass ich schon lange vor Ferienende darauf brennen werde, endlich wieder mit meinen Studierenden zu arbeiten. Fritz Jurmann