Reden über Weltliteratur

Kultur / 02.07.2021 • 22:36 Uhr
Das Philosophicum Lech findet heuer zum 24. Mal statt, die erste Ausgabe des Literaricums beginnt am 8. Juli.VN/PS
Das Philosophicum Lech findet heuer zum 24. Mal statt, die erste Ausgabe des Literaricums beginnt am 8. Juli.VN/PS

Zum Philosophicum kommt heuer erstmals ein Literaricum. Das Besondere daran: Der Wunsch kam aus der Bevölkerung.

Lech Es ist nicht sein Kanon der Literatur, über dessen Zusammensetzung er lange überlegen konnte, sondern die spontane Antwort auf die Frage, welchem der Weltliteratur zugeordneten Werk Michael Köhlmeier den Stellenwert einer besonderen Empfehlung gibt. Als erstes sei das „Anna Karenina“ von Tolstoi, rein aus seiner bekannten Vorliebe für die antike Mythologie müsse Homers „Odyssee“ dabei sein, dann „Licht im August“ von William Faulkner, „Früchte des Zorns“ von John Steinbeck, „Hundert Jahre Einsamkeit“ von Gabriel Garcia Márquez, gerne auch „Das doppelte Lottchen“ von Erich Kästner und „Der abenteuerliche Simplicissimus“ von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.

Dieser berühmt gewordene Schelmenroman aus der Barockzeit steht im Mittelpunkt des ersten Literaricums in Lech, der Schriftsteller Daniel Kehlmann, dessen Werk „Tyll“ ebenfalls im Dreißigjährigen Krieg spielt, wird ihn vorstellen.

Ergänzung zum Philosophicum

Wieso überhaupt ein Literaricum? Michael Köhlmeier, der vor 25 Jahren bereits das Philosophicum mit­initiiert hat, das Konrad Paul Liessmann leitet, erklärt im Gespräch mit den VN, dass die Idee an sich aus der Bevölkerung von Lech kam. Man wollte neben dem jährlichen Symposium mit Philosophen und Geisteswissenschaftlern, deren Vorträge in eigenen Publikationen dokumentiert sind, eine weitere Veranstaltung etablieren, bei der fachspezifische Themen in einer der breiten Öffentlichkeit zugänglichen Form erörtert werden. „Ich glaube, die Lecher mögen uns inzwischen sehr als die stillen Gäste.“ Gemeinsam mit dem Schriftsteller Raoul Schrott und der Literaturvermittlerin und Kulturjournalistin Nicola Steiner wurde ein Format konzipiert, in dessen Mittelpunkt die Auseinandersetzung mit einzelnen Werken der Weltliteratur steht. Grimmelshausen stand sozusagen sofort auf der Liste. Für Köhlmeier ist der „Simplicissimus“, den es mittlerweile etwa in einer sehr gut lesbaren Übertragung in ein modernes Deutsch von Reinhard Kaiser gibt, der Antikriegsroman schlechthin. Die Stelle, an der Simplicius auf die Frage, warum er kämpfe, antwortet, weil man ihm die Murmeln weggenommen hat, die er wieder haben will, sei ihm besonders ans Herz gegangen. Er sei immer wieder schmerzlich berührt und in einer besonderen Weise tief betroffen, wenn Texte über das Entsetzliche eines Krieges dann wieder in ein Lachen übergehen. 

Die Weltsicht erweitern

In Zeiten, in denen der Literaturunterricht immer mehr gestrafft oder überhaupt aus den Lehrplänen eliminiert wird, sind die Verantwortlichen, denen die Literatur ihr ganzes Leben lang besonders wichtig war, auch von einem pädagogisch didaktischen Gedanken geleitet gewesen, bemerkt Köhlmeier. Man werde wohl nicht gleich sehr viel bewirken, einigen Menschen vielleicht aber doch eine Begegnung verschaffen können, die ihre Weltsicht erweitert. „Dazu sind so viele Bücher geschrieben worden.“ Die Weltliteratur und nicht die Vorstellung von Neuerscheinungen wird das Format sein, das man beim Literaricum verfolgt. Abgesehen davon ist es aber vorgesehen, dass sich in Lech in Zukunft nicht nur die arrivierten Schriftstellerinnen und Schriftsteller treffen, beim Literaricum soll bald auch die junge Generation auf dem Podium sitzen und möglichst schon beim ersten Mal einen Teil des Publikums bilden. Wer das Philosophicum kennt, der weiß, dass sich dort diesbezüglich seit Jahren schon ein heterogenes Bild zeigt. VN-cd

„Die Erfahrung mit dem Philosophicum, das die Leute schätzen, stimmt mich zuversichtlich.“

Das Literaricum findet vom 8. bis 10. Juli in Lech (Hotel Sonnenburg, Burg Hotel) statt. Vortragende sind u. a. Daniel Kehlmann, Michael Köhlmeier und Raoul Schrott.