Neuer Knecht-Roman: Von Frauenverachtung und digitaler Gewalt

Kultur / 24.07.2021 • 16:00 Uhr
Neuer Knecht-Roman: Von Frauenverachtung und digitaler Gewalt
Doris Knecht legt mit „Die Nachricht“ einen neuen Roman vor. HERIBERT CORN

Die Vorarlberger Autorin hat sich für ihren neuen Roman „Die Nachricht“ einem hochaktuellen Thema angenommen.

Schwarzach Die Vorarlberger Schriftstellerin Doris Knecht erzählt in ihrem neuen Roman „Die Nachricht“ von ihrer Protagonistin Ruth, die nach dem Tod ihres Mannes gelernt hat, sich alleine zurechtzufinden – bis sie eines Tages anonyme Messenger-Nachrichten von einer Person bekommt und zur Verfolgten wird. Der Roman, der sich literarisch mit dem hochaktuellen und brisanten Thema Cyberstalking auseinandersetzt, erscheint am 26. Juli im Verlag Hanser Berlin.

Ihr neuer Roman „Die Nachricht“ handelt von Frauenverachtung und digitaler Gewalt. Wie sind sie auf den Inhalt gekommen

Es ist ein Thema, das mich seit längerem beschäftigt. Was das mit Frauen macht, wenn sie solchen Angriffen ausgesetzt sind, wie es sie einschüchtert. Auch wie sie vom System im Stich gelassen werden: Fassungslos gemacht hat mich vor allem die Geschichte mit dem Mann, der eine Politikerin mit Mails voller sexueller Aggression belästigte, worauf die Frau, die diese Nachrichten öffentlich machte, in erster Instanz zu einer Schadensersatz-Zahlung verurteilt wurde. Zudem arbeite ich selber seit mehr als 30 Jahren als Journalistin mit eigener Meinung und habe jede Art von Beleidungs- und Einschüchterungsnachrichten schon selber bekommen.

Was macht Ruth für Sie zur idealen Protagonistin?

Sie ist eine Frau, die nach einem Schicksalsschlag – ihr Mann kam bei einem Unfall ums Leben – nach einiger Zeit ihren Frieden gefunden hat, jetzt lebt sie allein, mit ihrer Familie um sich, kommt gut damit zurecht und fühlt sich sicher. Aber dann bekommt sie diese anonymen Mails einer Person, die offensichtlich viel über sie weiß und ihr diese Sicherheit und ihr Selbstvertrauen nehmen möchte. Und das passiert auch: Erst unmerklich, dann wird Ruth zusehends unsicherer und ängstlicher, fühlt sich beobachtet und verfolgt.

Sie haben in einem Interview gesagt, dass es keine Figur gibt, in der nichts von Ihnen steckt. Wie viel Ruth steckt in Ihnen?

Ich habe diesmal eine Frau, die vom Schreiben und zum Teil in einer ländlichen Umgebung lebt, als Ich-Erzählerin gewählt, insofern natürlich einiges. Ich wollte eine Hauptfigur, die sich beruflich Geschichten ausdenkt, was sie mitunter zu einer unzuverlässigen Erzählerin macht; auch für ihre Umgebung: Kann man wirklich sicher sein, ob ihre Geschichte immer der Wahrheit entspricht, oder ob sie nicht da und dort übertreibt oder dazuerfindet?

Schreiben Sie lieber aus der Sicht einer Frau oder eines Mannes?

Ich mache beides gerne. Frauenfiguren stehen mir naturgemäß näher, da bin ich sehr genau und sorgfältig. Aber mich in einen Mann zu versetzen verschafft mir irgendwie mehr Freiheit, weil ich mich ja ohnehin nicht hundertprozentig einfühlen kann. Bei meiner Gruber-Figur hat mir das großen Spaß gemacht.

Sie werden regelmäßig ausgezeichnet. Verspüren Sie beim Schreiben Ihrer Romane Erfolgsdruck?

Nein, nicht in dieser Weise. Es ist eher bei jedem neuen Roman die Frage: Wird dieses Buch jemals fertig werden? Und jedes Mal bin ich mehrmals an dem Punkt, an dem ich sicher bin, dass es diesmal nicht klappen wird und überlege mir, was für Berufe sonst noch für mich in Frage kämen. Wenn ich dann doch das fertige Buch in der Hand halte, bin ich erstmal froh und dankbar, dass es gelungen ist, und dann hofft man einfach, dass es Leserinnen und Leser findet. Alles Weitere ist ein schönes Extra.

Wo schreiben Sie am liebsten? An welchem Ort ist die Inspiration am größten?

Der Ort spielt bei mir eigentlich keine große Rolle. Ich schreibe am Küchentisch in Wien, im Garten im Waldviertel und im Bett. Was mich, nachdem ich Figuren und Handlung soweit beieinander habe, am meisten inspiriert, ist der Abgabetermin. Ich werde ohne Druck nicht kreativ, es ist ein Jammer.

Hatte die Coronakrise für Sie als Schriftstellerin positive Auswirkungen? Haben Sie bereits Ideen für Ihren nächsten Roman?

Es war für mich zumindest kein Drama, weil ich auch ohne Lockdown am liebsten daheim bin und sozusagen immer im Homeoffice arbeite. Mir haben nur meine Teenager-Töchter wirklich leidgetan, und hin und wieder hatten wir ein bisschen Lagerkoller. Aber ich habe tatsächlich den größten Teil des Romans während der Pandemie geschrieben. Und ja, ich arbeite schon an etwas Neuem, aber es ist noch im Stadium des Herumprobierens, des Schauens, ob das funktionieren kann. Mal sehen.

Die Nachricht, Doris Knecht, Hanser Berlin, 256 Seiten