Vom Auto, das nicht mehr in die Spur will

Auto
Christina Walker
Braumüller
208 Seiten
Ein mutiges Werk der Vorarlberger Autorin Christina Walker.
Roman Es geht um Herrn Busch, einen honoriger Handelsvertreter im mittleren Alter aus der Verlagsbranche: Bücher in die Buchhandlungen zu bringen und dort sichtbar platziert zu wissen, ist also sein Begehr. Doch eines Tages will Busch nicht mehr so recht. Die Wege sind zu lange, zu hektisch, zu schnelllebig, wird man später erfahren, erzeugen zu viel Reibungswiderstand. Verharren ist für Busch eine Möglichkeit, um diesem Widerstand zu entkommen. Also schafft er sich ein neues Heim, seinen türkisfarbenen, mittlerweile kaputten Mercedes Benz.
Eine Kapitalismuskritik der Autorin? Ja und nein. Eine allgemeine Systemkritik kommt dem Roman näher, dazu Busch, der auch immer wieder den Ameisenstaat vor seinen Augen bewundert, wie gut es der nur hat, weil er entgegen der Menschheit perfekt organisiert ist und jede Ameise über ihre Aufgaben Bescheid weiß und so auch nicht vom Weg abkommt. Nur so könne laut Busch der Staat funktionieren.
Nur weiß Busch nicht so recht, warum er nichts mehr auf die Reihe bringt. Er will und kann sich nicht mehr aus dem Auto wegbewegen. Schon 100 Schritte sind zu viel und sein 10-Regel-Programm soll ihm in seinem Labyrinth der Sinnfragen behilflich sein. „Alle Eigenbewegungen verringern“, heißt zum Beispiel die zweite Regel. Im fernöstlichen Gefilde wäre Busch sicher ein achtenswerter Mann, der als Säulenheiliger eine gewichtige Stellung in der Gesellschaft einnehmen würde – einer, der eines Tages zu sich kommt und in einem Menschenleben eine gewaltige Metamorphose bestreitet. Aber in Deutschland, im Innenhof einer Wohnanlage, wo der Mercedes steht, gestaltet sich die Verweigerungshaltung eher schwierig, zumal auch seine Frau und sein Sohn in diesem Haus leben. Konfrontationen sind also vorprogrammiert.
Verweigerung
Hier dünnt der Roman der Vorarlberger Autorin, die dafür mit dem Vorarlberger Literaturstipendium ausgestattet wurde, auch etwas aus. Es tut sich nicht wirklich etwas. Das kann eine gewollte Verweigerung sein. Auch lässt sich, mit einem gewissen Amüsement, die Geschichte aus dem Winkel der Beobachtung lesen, wenn einer versucht, Busch eben, mit möglichst wenig Reibung auszukommen, aber relativ viel Reibung erzeugt.
Fazit: Ein interessantes und mutiges Werk, das die Welt quasi mit dem Zustand der Verweigerung zu erklären versucht. Doch bleiben einige Chancen, den Sack zu schließen ungenützt, die 10 Regeln könnten beispielsweise ein Motor sein, der erst später seine wahre Wirkung entfacht. Gerade in dem Moment, wo der radikalste Eingriff von außen passiert, jemand aus dem Haus lässt den türkisen Mercedes abschleppen, könnte das Konstrukt schon anständig pfeifen. maw