Billy wächst einem ans Herz

Kultur / 29.09.2021 • 18:43 Uhr
Nico Raschner in „Wild!“ von Evan Placey. Die Premiere fand in der Mittelschule Klaus-Weiler-Fraxern statt.  vlt/köhler
Nico Raschner in „Wild!“ von Evan Placey. Die Premiere fand in der Mittelschule Klaus-Weiler-Fraxern statt.  vlt/köhler

Vorarlberger Landestheater hat für Klassenzimmerauftritte mit “Wild!” gut gewählt.

Weiler „Stillsitzen. Das kriegt ihr doch hin, oder?“ heißt es gleich zu Beginn des Stücks „Wild!“ von Evan Placey. Stefanie Seidel hat sich von dieser deutlichen Ansage etwas für das Regiekonzept abgezweigt. Verständlich, das Stück wird vom Vorarlberger Landestheater in erster Linie als Klassenzimmerproduktion angeboten, wo nicht allzu viel Action, dafür aber Fantasieanregendes gefragt ist. Erst nach einer Tour durch die Schulen kommt die Produktion dann auch in die Box am Bregenzer Kornmarkt. Dass ihr nicht nur Zehn- bis Fünfzehnjährige, sondern auch Erwachsene etwas abgewinnen können, steht außer Frage, die Angabe „ab 8“ (derzeit noch auf dem Theaterplakat) ist etwas zu ambitioniert, aber das können die Pädagogen ohnehin einschätzen. Wie sich im Anschluss an die Premiere am Mittwochvormittag in der Mittelschule Klaus-Weiler-Fraxern mit durchschnittlich Zwölfjährigen zeigte, verstehen sie auch viel von einer guten Nachbehandlung einer Aufführung.

Ein Sympathieträger

Das Stück des kanadisch-britischen Autors hat es vor rund fünf Jahren in den deutschen Sprachraum geweht, wo es gleich auf mehrere Bühnen kam. Ein Themenstrang, nämlich die Alltagsbewältigung eines hyperaktiven Kindes, tauchte – wenn auch anders motiviert – schon im 19. Jahrhundert mit Heinrich Hoffmanns „Zappelphilipp“ auf, die Scheidung der Eltern oder auch Mobbing sind in der zeitgenössischen Jugendtheaterliteratur nahezu allgegenwärtig. Die Kombination ist noch nicht das, was das Stück trägt. Es sind die sich laufend ändernden Erzählebenen und -perspektiven, für die ein einziger Schauspieler das Tempo so zu wählen hat, dass es zu keinerlei Durchhängern kommt und dass die Jugendlichen dem Geschehen gut folgen können. Bei Nico Raschner ist jegliches Gefahrenpotenzial minimiert. Textlich wird trotz rasanter Rollenwechsel nichts verschludert, Billys schwierige Lage wird nicht verharmlost, aber auch nicht als angsteinflößend gezeichnet. Da hat die Regisseurin sehr genau gearbeitet und in Kenntnis der Fähigkeiten des Schauspielers darauf gesetzt, dass er die Rolle des Sympathieträgers verinnerlichen kann, dabei aber das Verhalten der Eltern, Lehrer, Ärzte, Kollegen nicht zu dunkel zeichnet und unweigerlich den Kontakt zu seinen Zuschauern herstellt.

„Wild!“ ist ein Starkmachstück von inhaltlich und sprachlich guter Qualität. Es verzichtet auf plakative Bilder, fördert über die spannend eingeflochtenen Informationen über das Leben der Bienen das Mitdenken und hat auch einiges an die Aufmerksamkeit steigernden Witz. Das Wichtigste: Nico Raschner bringt das alles berührend zum Ausdruck.

Die Produktion wird Schulen angeboten, am 14. November ist eine Aufführung in der Box geplant.