Leb wohl, lieber Herbert
Wenn man von Norden her mit dem Schiff in den Hafen von Bregenz fährt, dann findet man direkt am Ufer die über drei Meter hohe und ebenso breite Bronzeskulptur „Hommage an Brigantium“ aus dem Jahre 2010 von Herbert Albrecht. Wenn man das Land ganz im Süden, auf dem höchsten Scheitelpunkt der Bielerhöhe, wieder verlässt, dann steht dort ein über zwei Meter hoher „Wächter“ aus einem wunderbaren Stein, einem Diabas, den Herbert Albrecht 2006 aus einem Block geschlagen hat. Das sind die Eckpunkte – und dazwischen, im ganzen Land, kann man Beispiele der außerordentlichen Bildhauerkunst von Herbert Albrecht finden. Etwa die „Mutterfigur“ am Autobahnrastplatz Frutz in Rankweil oder den „Kopf“ vor dem Cubus in Wolfurt, und an vielen öffentlichen Orten weitere Arbeiten. Im Lexikon „Kunst und Bau in Vorarlberg seit 1945“ von Susanne Fink sind weit über vierzig Belege für Albrechts öffentliche Kunst angeführt. Dabei sind aber die vielfachen sakralen Arbeiten, etwa die Portalplastik an der Abteikirche Mehrerau von 1961 oder die Altarraumgestaltung der Pfarrkirche St. Martin in Dornbirn aus dem Jahr 1969, noch nicht berücksichtigt.
„Wir werden kein Fest mehr haben. Aber wir haben seine Kunst. Und wenn ich einen Stein von ihm berühre, bin ich berührt von Herbert Albrecht.“
Kurz gesagt: Der Bildhauer Herbert Albrecht ist in Vorarlberg fast allgegenwärtig. Der Künstler bleibt in seinen Arbeiten, der Mensch hat uns am vergangenen Samstag verlassen, Herbert Albrecht ist im 95. Lebensjahr verstorben. Es ist sonderbar: Bisher konnte ich mir ein Leben ohne Herbert Albrecht eigentlich nicht vorstellen, ich habe kaum daran gedacht, dass er sterben könnte. Und als ich nach seinem Tod seine zugänglichen Skulpturen in Bregenz abgelaufen bin, sie genau betrachtet, die Augen geschlossen und mit der Hand abgegriffen, be-griffen habe, da wusste ich: Ich werde ihn nie verlieren, er wird durch seine Werke immer Teil meines Lebens sein. In Zukunft genauso wie in der Vergangenheit. In den letzten fünfzig Jahren haben wir vieles gemeinsam gemacht: Ausstellungen von Herbert geplant, organisiert, durchgeführt, die bekanntesten bei der Berufsvereinigung im Bregenzer Künstlerhaus, im Vorarlberger Landesmuseum, im Künstlerhaus Wien und im Kunsthistorischen Museum in Wien; wir haben Bücher und Kataloge zu diesen Ausstellungen gemacht; wir haben Filme und Dokumentationen vom Werden eines Steins zur Kunst im ORF gemacht; wir haben viele Reisen, vorwiegend im Mittelmeerraum, ganz besonders nach Griechenland unternommen; wir haben viel gefeiert, gelacht und getrunken. Das Leben mit Herbert Albrecht war in jeder Hinsicht ein Fest, ein Fest der Kunst, ein Fest der Freundschaft, ein Fest des Lebens.
Nun ist das alles vorbei. Wir werden kein Fest mehr haben. Aber wir haben seine Kunst. Und wenn ich einen Stein von ihm berühre, bin ich berührt von Herbert, wenn ich meine Hand auf eine Bronze lege, dann spüre ich die Kraft, die von seiner Kunst ausgeht. Wie gesagt: Alle, die seine Kunst lieben, werden Herbert Albrecht auch durch den Tod nicht verlieren. Das möge Trost im großen Schmerz sein.
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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