Landestheater wechselt auf die Online-Bühne

Kultur / 24.11.2021 • 09:00 Uhr
Landestheater wechselt auf die Online-Bühne
Der deutsche Regisseur Jürgen Sarkiss inszeniert „Lenz“ von Georg Büchner am Vorarlberger Landestheater. Sebastian Mölleken

Jürgen Sarkiss inszeniert Georg Büchners “Lenz”. Das Stück feiert am Sonntag Online-Premiere.

Bregenz Die Premiere von „Pünktchen und Anton“ konnte einen Tag vor dem Lockdown noch planmäßig vor Livepublikum über die Bühne gehen. Für die nächste Produktion “Lenz“ von Georg Büchner, die coronabedingt mehrmals verschoben werden musste, wechselt das Landestheater kurzerhand auf die Online-Bühne. Die Premiere wird am Sonntag gefilmt und live über den YouTube-Kanal des Landestheaters geteilt. Inszeniert wird das Solostück mit Schauspieler Nico Raschner von Jürgen Sarkiss.

Wie schwierig ist es, sich als Theatermacher immer wieder an neue Gegebenheiten anpassen zu müssen?

Man wird irgendwann müde, weil man sich in einer passiven Situation befindet, man kann nicht mehr aktiv sein. Es nimmt einem die Luft aus den Segeln. Man macht Pläne aber weiß nicht, ob sie jemals realisiert werden können. Das Ganze ist kein gesunder Kreislauf und es werden einem dadurch auch die guten Ideen geraubt. 

Sie sind Schauspieler, Regisseur und Musiker. In Georg Büchners Woyzeck standen Sie als Hauptmann auf der Bühne. Beim Stück „Lenz“ führen Sie Regie. In welcher Rolle fühlen Sie sich am wohlsten?

Ich tendiere eigentlich mehr und mehr zur Regie. Das hat alles auch ein bisschen mit der Coronasituation zu tun. Wenn man mal entwöhnt ist, auf der Bühne zu stehen, dann kommt der Moment, wo man sich fragt, ob einem das fehlt oder nicht. Ich habe gemerkt, dass es mir nicht so wahnsinnig fehlt, auf der Bühne zu stehen. Was mir fehlt, ist die inhaltliche Auseinandersetzung mit Themen – etwas zu kreieren, zu erfinden. „Angekuckt“ zu werden fehlt mir nicht (lacht).

Was macht für Sie die Faszination Georg Büchner aus?

Georg Büchner war einer der Ersten, der den einfachen Mensch beleuchtet hat – anders als bei Schiller und Goethe, bei denen es um den Adel, um die bessere Gesellschaft ging. Büchner hat den ganz normalen Menschen beobachtet, hat in Zeitungsartikeln gelesen, recherchiert und darum Geschichten gesponnen – Geschichten, die komplett aus dem Leben heraus entstanden sind. Das ist einzigartig, ich kenne kaum einen Schriftsteller und Dramatiker, der das so gut und dann aber auch wieder mit so wenigen Worten schafft.

Wie sind Sie an Büchners „Lenz“ herangegangen?

Ich habe mir zwei Fragen gestellt. Zum einen: Wie geht eigentlich ein Mensch mit einer Krankheit um, der nicht weiß, dass es eine Krankheit ist oder wofür es noch keinen Namen gibt. Damals gab es Begriffe wie „Burnout“ oder eine manische Depression noch nicht. Da wurde das mit religiöser Melancholie beschrieben. Zum anderen habe ich mir überlegt, wie heutzutage ein Lenz, der diese Krankheit hat, mit den sozialen Medien umgehen würde. Würde der heute auf Instagram ständig Fotos von sich in seiner depressiven bzw. manischen Phase schicken? Würde er auf Twitter Kommentare abgeben, wie es ihm heute geht? Hat er vielleicht eine Go-Pro dabei, wenn er durch den Wald läuft? Das ist auch ein Grund, warum wir im Stück auch mit Videos gearbeitet haben.

Das Stück ist also auch für die heutige Zeit relevant.

Auf jeden Fall. Ich glaube den Prozess, den der Lenz durchmacht, das sehen wir heutzutage immer wieder. Man denke alleine an den Club der 27-Jährigen, die zu früh gestorben sind. Es gibt Phasen, bei denen sich der Mensch mit der Sterblichkeit, der Sinnhaftigkeit des Lebens auseinandersetzen muss. Das zieht einen runter und aus diesem Strudel kann man sich ganz schwer wieder befreien. Manche Menschen gehen daran zugrunde. Deswegen wird es nie aufhören aktuell zu bleiben.

Das Stück wird nicht vor Livepublikum gezeigt, sondern als Stream. Worin bestehen die Herausforderungen bei Umsetzungen?

Ich bin ehrlich gesagt kein wahnsinnig großer Fan davon, aber es ist die einzige Möglichkeit, das Stück zu zeigen. Geprobt wird mit Abstand und Maske, trotz allem macht es Spaß. Wir werden uns noch ein Konzept überlegen, wie gefilmt wird, welche Bildausschnitte gewählt werden. Es wird sicherlich ein Mehraufwand, weil ich nicht nur theatral, sondern auch filmisch denken muss.

Livestream-Premiere von Georg Büchners “Lenz”: Sonntag, 28. November, 18 Uhr; zu sehen auf dem YouTube-Kanal des Vorarlberger Landestheaters.