Christoph Eberle: Ein unverbesserlicher Optimist

Kultur / 13.02.2022 • 09:00 Uhr
Christoph Eberle: Ein unverbesserlicher Optimist
Christoph Eberle führt sein 2015 gegründetes QUARTA-Jugendprojekt auch in Corona-Zeiten unverdrossen weiter. Eberle

In der Arbeit mit begabten Jungmusikern der Region hat er eine späte Erfüllung gefunden.

HITTISAU Er gehört zu jenen, die auch nach einem intensiven Leben als Dirigent, davon fast 20 Jahre in der Chefposition beim SOV, noch längst nicht genug haben von diesem Beruf, der zur Berufung wurde. So führt Christoph Eberle sein 2015 gegründetes QUARTA-Jugendprojekt auch in Corona-Zeiten unverdrossen weiter. 

Woher nehmen Sie in einer Zeit, da durch die Pandemie nach wie vor Unsicherheit im Kulturbetrieb herrscht, den Mut, Ihr QUARTA-Projekt mit vier Konzerten unbeirrt fortzuführen?

EBERLE In der Tat war die Entscheidung keine leichte. Wir nehmen im europäischen Gedanken die Verantwortung für die Sicherheit der Musikerinnen und Musiker aus den vier Ländern im Bodenseeraum sowie für das Konzertpublikum sehr ernst.  Aber in Zeiten wie diesen gar nichts mehr zu machen, ist, wie ich finde, keine Option. Die jungen Leute brauchen eine Perspektive. Durch die Programmänderung und die Kammermusikbesetzung, die wir „einviertel“ nennen, konnte im Vereinsvorstand mutig der Beschluss gefasst werden, das Projekt auch unter erschwerten Bedingungen umzusetzen.

Der Fokus liegt nun anstelle eines großen Orchesters also auf maximal sieben Musikern, die auf spezielle Art solistisch und im Ensemble gefordert werden?

EBERLE Zum Konzept von QUARTA gehört es, nicht nur die große symphonische Literatur, sondern durchaus auch Werke für Kammerorchester bzw. die große erweiterte Kammermusik zu pflegen so wie im Vorjahr das Schubert-Oktett oder ein Jahr zuvor die großen Bläserserenaden mit der „Gran Partita“ von Mozart.

Sie werden in dieser kleinen Besetzung nicht dirigieren, dafür auf Ihrer Klarinette mitwirken, die Sie mit zwölf schon in der Hittisauer Blasmusik gespielt haben. Also eine kollegiale Geste als Primus inter Pares, Gleicher unter Gleichen.

EBERLE Ja, in diesem Fall bin ich nicht Dirigent, sondern Musikvermittler. Ich habe das Beethoven-Septett in meiner Wiener Zeit als Klarinettist auf vielen Tourneen mit den Wiener Kammermusikern gespielt und möchte nun meine Erfahrung auch als aktiver Spieler an die jungen Kolleginnen und Kollegen weitergeben.

Besonders schön finde ich, dass Sie auch diesmal wieder den alten Bregenzer Gössersaal als einen der Konzertorte ausgesucht haben, mit dem für viele Musikfreunde Erinnerungen an alte Zeiten verknüpft sind?

EBERLE Das ist bei mir nicht anders. Meine allerersten Proben mit dem SOV Ende der 80er-Jahre fanden in diesem Saal statt. Auch mit der Militär-Big-Band habe ich dort als Saxophonist auf Bällen gespielt und im vergangenen Jahr haben wir mit der Kammerorchesterbesetzung von QUARTA sehr gute Erfahrungen gemacht, vor allem auch mit der beeindruckenden Akustik.

Sie haben bereits jetzt für den Herbst Termine fixiert, um mit QUARTA Ihr lange geplantes Projekt der 4. Mahler-Symphonie mit 75 Musikern zu verwirklichen. Sind Sie so etwas wie ein unverbesserlicher Optimist?

EBERLE In dieser in fast jeder Hinsicht aus den Fugen geratenen Zeit ist ein unverbesserlicher Optimismus vielleicht die einzige praktikable Überlebensstrategie. Aus diesem Blickwinkel bin ich wahrscheinlich ein solcher.

Gerade die opulenten Mahler- und Bruckner-Symphonien waren in Ihrer Zeit als Chefdirigent des Symphonieorchesters Vorarlberg ein viel bewundertes Markenzeichen. Würde es Sie nicht reizen, dort wieder einmal für ein Projekt anzutreten?

EBERLE Alles hat seine Zeit. Wir hatten Höhenflüge, die mich und das Orchester verbunden haben, musikalisch und auch menschlich. Eine Beziehung zwischen Orchester und Dirigent ist immer ein wechselseitiges Geben und Nehmen und Höchstleistungen kommen nur zustande, wenn beide eine Einheit bilden. Für mich waren die Jahre beim SOV besondere, doch wenn sich der gegenseitige Austausch erschöpft hat, macht es wenig Sinn, an etwas festzuhalten, was einmal war. Das SOV hat sich gut entwickelt, ich konnte wesentlich mitgestalten, worauf ich nach wie vor stolz bin. Aber die Frage, aktiv mitzuwirken, steht nicht mehr im Raum.  

Sie haben das SOV auch mit aus der Taufe gehoben. Was ist eigentlich damals geschehen, das kurz vor dem 20-Jahr-Jubiläum zum Bruch dieser Zusammenarbeit geführt hat?

EBERLE Keine leichte Frage – ich meine, da gibt es kein einzelnes Ereignis, an dem das Ende der Zusammenarbeit aufzuhängen wäre. Es war eher ein schleichender Prozess – vergleichbar vielleicht mit einer Langzeitbeziehung. Auch da kommen die meisten irgendwann an einen Punkt, an dem sie kämpfen müssen, um sinnvoll weiter zu gestalten. Zudem ist in unserer durch und durch „demokratisch“ geprägten Zeit ­­­­das Verhältnis Dirigent – Orchester anachronistisch. Denn egal, wie diplomatisch auf gleicher Augenhöhe gearbeitet wird: Am Tag des Konzertes wird vom Dirigenten erwartet, dass er im besten Sinne das Orchester führt und die Musik auf möglichst hohem Niveau interpretiert. Das ist kein demokratischer Zustand und birgt naturgemäß Konfliktstoff.

Bedauern Sie aus heutiger Sicht diese Entwicklung, würden Sie sich heute in einer solchen Situation anders verhalten?

EBERLE Nein, ich bin dankbar für die guten Erfahrungen und die wunderbaren Konzerterlebnisse in unserer gemeinsamen Gründerzeit. Wir konnten eine außergewöhnliche Entwicklung nehmen, haben uns auch gegenseitig sehr gut ergänzt und oft beflügelt. Alles andere haben wir bereits besprochen. Es gehört nun zur Musikgeschichte unseres Landes.

Was bedeutet Ihnen Ihre Familie? Wie stolz sind Sie auf Ihre vier Kinder, die ja zum Teil erwachsen sind und schon lange in QUARTA mitspielen?

EBERLE Unsere Familie bedeutet mir alles. Sie ist nicht nur Halt und Stütze, sondern ein großes Glück. Besonders die musikalische Entwicklung unserer Kinder zu einem familiär musizierenden Ensemble, in dem ich auch manchmal mitspielen darf, empfinde ich als besonderes Geschenk. Fritz Jurmann

QUARTA einviertel Jugendphilharmonie: 17. Februar Gössersaal Bregenz, 18. Februar Markus-Sittikus-Saal Hohenems, 19. Februar Remise Bludenz – jeweils 19.30 Uhr; 20. Februar, Angelika-Kauffmann-Saal Schwarzenberg – 18 Uhr