Komm Agnes, wir gehen

Mit „Die Vertriebenen“ poliert Martin G. Wanko die Spiegelschau auf.
Bregenz Das war gut. Das war von Ninja Reichert und Bernd Sracnik als Agnes und Herbert gut, ja sehr gut gespielt. Das war von Alfred Haidacher klug und humorvoll zugleich im Bregenzer Theater Kosmos in Szene gesetzt und das war von Eva Weutz bestens eingekleidet und ins Bild gerückt. Passt ja auch, denn eigentlich war die Welt für Agnes und Herbert ja auch gut und in Ordnung. Bis, ja bis da diese Weltverbesserer von der „FiN“ – „Flüchtlinge in Not“ – ihnen da zuerst die eine und dann die andere Flüchtlingsfamilie direkt über ihren Köpfen einquartiert haben. Während die ersten ja wenigstens „irgendwie geräuschlos“ waren, zogen die anderen gleich mit sechs Kindern aller Altersklassen ein. Tschüss, geliebte Ruhe, konnte man da nur noch sagen. Meinten zumindest Agnes und Herbert.
Jetzt wäre „Die Vertriebenen“ aber kein Stück von Martin G. Wanko, ohne es nicht faustdick hinter den Ohren zu haben. Wie sich das äußert? Na zum Beispiel darin, dass sich der plötzlich zum Gutmenschen mutierte Johann Permann – Bankdirektor in Pension und Mitglied der „Toskana-Fraktion“, sprich guter Wein, dolce vita und so – schlussendlich gar nicht als so selbstlos entpuppt. Das „große gute Werk“, das er seiner Frau am Sterbebett versprochen hat, wirft nämlich finanziell einiges für ihn ab. Jaja, der liebe Permann stellt der „FiN“ seine Wohnung ja nicht für Gottes Lohn zur Verfügung.
Gesellschaftskritisch
Was Martin G. Wanko kann, zeigt sich aber genauso in den vielen Zwiegesprächen zwischen Agnes und Herbert. Ein Paar mittleren Alters, sicher gelandet im gut-bürgerlichen Milieu. Tolerant, natürlich ist man tolerant. Zumindest so lange die eigene Ruhe von der Toleranz ungestört bleibt. Und so lässt Wanko seinen gesellschaftskritisch angespitzten Szenenkreisel immer schnellere Runden drehen. Da stellen sich Agi und Herbert dann schon die Frage, ob das in der Wohnung über ihnen tatsächlich „ordentliche“ Flüchtlinge sind? Denn das sind ja „nur“ Wirtschaftsflüchtlinge. Zu guter Letzt treiben sie es so weit, dass sie sich als „die Vertriebenen“ nach einer neuen Wohnung umsehen. In angemessener Lage, ruhig versteht sich. Und nicht, ohne aus der alten Wohnung noch Profit zu schlagen. Die wird dann nämlich auch an die „FiN“ vermietet. Für fünf Jahre, dann ist Schluss und der Spuk mit dem Gutmenschentum hat ein Ende.
Spiegel der Gesellschaft
Was Wankos „Vertriebene“ einfach wunderbar zeigen, ist der Blick in den Spiegel der Gesellschaft. Helfen muss man. Natürlich, das ist doch selbstverständlich – nur nicht im eigenen Mehrparteienhaus. Damit sticht Martin G. Wanko in ein Wespennest. Das erledigt er völlig unaufgeregt, immer hart an der Grenze und damit wohl umso treffsicherer. Ein Abend mit den „Vertriebenen“ ist ein scharfkantiger Spiegelblick. Gut gesetzt, gezielt – eine Punktlandung!
Nächste Premiere im Bregenzer Theater Kosmos: „Die Entführung des Thomas G“ von Benjamin Blaikner, 24. Februar: www.theaterkosmos.at