„Herr Lehrer, mine Flöte goht numma!“

Kultur / 19.02.2022 • 14:00 Uhr
„Herr Lehrer, mine Flöte goht numma!“
Tom Pegram ist als vielseitiger Musiker und Komponist bekannt. Beatrix Mathis

Als Amerikaner im Ländle lebt Tom Pegram die Geschichte einer nachhaltigen Integration.

HOHENEMS Als junger Musiker verliebte sich Tom Pegram in die Hohenemserin Elke, die in North Carolina ein Au-pair-Jahr verbrachte. Nach ihrer Heirat zog es die beiden nach Vorarlberg, wo Tom interessante Aufgaben als Pädagoge, Kirchenmusiker und Komponist fand.

Die entscheidende Wendung in Ihrem Leben war wohl 1978 der Ortswechsel nach Vorarlberg, alles war fremd und unbekannt für Sie.
Es war eine andere Welt. In den Städten schien mir alles grau, die Leute waren verschlossen gegenüber Fremden und zurückgezogen, man fand nur schwer Freunde. Dabei hatte ich nur fünf Monate Zeit, die deutsche Sprache zu erlernen, weil ich im Herbst an der Musikschule Dornbirn Kinder in Musik unterrichten sollte. Und der Dialekt war ein Kapitel für sich. Gleich in der ersten Woche kam ein kleines Mädchen weinend zu mir und sagte: „Herr Lehrer, mine Flöte got numma!“ Ich verstand kein Wort und bat sie, das auf Hochdeutsch zu sagen. Die Kleine: „Des kann i nöd!“ Es dauerte lange, bis ich den heimischen Dialekt zumindest verstanden habe. Ihn selber zu sprechen, habe ich gleich gar nicht versucht. Man kann auch so ein guter Vorarlberger sein.

Wie lang hat es gedauert, bis Sie in Ihrem Umfeld zu Everybody’s Darling wurden?
Die Leute sind längst viel offener und herzlicher zu mir, heute ist auch alles bunt und modern. Ich liebe die kleine Stadt Hohenems, wo ich seit 44 Jahren wohne, und fühle mich im privaten Freundeskreis seit Langem gut aufgenommen, vor allem auch mit meiner Musik.

Als Musiker besitzen Sie ja eine enorme Spannweite zwischen klassischer Musik als Geiger und Dirigent oder Pop und Folk als Singer/Songwriter mit Gitarre. Wofür schlägt Ihr Herz?
Da gab es schon seit meinem elften Lebensjahr einen Zwiespalt, obwohl ich beides genauso gern gemacht habe. Auf der Uni hat der Geigenlehrer gesagt: „Du spielst zu viel Gitarre, du musst mehr Geige üben!“, der Gitarrenlehrer aber sagte: „Tom, du musst mehr Gitarre üben und weniger Geige!“ Die Entscheidung kam viel später, in den Neunzigerjahren. Da hatte ich angefangen, sehr intensiv Gitarre zu spielen und nahm in einem Tonstudio in New York City meine erste CD „Celebration“ mit zwölf meiner besten Stücke auf. Ich musste allerdings zwei Jahre lang üben, damit ich meine eigenen Kompositionen spielen konnte, so virtuos waren die.

Und das wurde dann zu einem durchschlagenden Erfolg?
Ja, ich habe gewusst, dass ich mit dieser CD den Durchbruch geschafft habe und mich im In- und Ausland als Sologitarrist behaupten konnte. Der Kultursender Ö1 hat wochenlang fast täglich Stücke aus meiner CD gespielt, und ich konnte über einen Vertrieb auch viel davon verkaufen und damit mehr als die Produktionskosten hereinbringen. Schon zuvor spielte der ORF in „Autofahrer unterwegs“ öfter meinen Western-Titel „Flying Fiddle“ oder Nummern aus meiner LP „Someday“. Zuletzt erschien 2020 mein Doppelalbum „Guitar Art“ mit 30 Stücken. Aber am liebsten war es mir, auch in Vorarlberg meine Musik in Live-Konzerten zu präsentieren, so wie meine großen Vorbilder James Taylor, Gordon Lightfood oder Dan Fogelberg.

Doch irgendwann sind Sie dann doch wieder zu ihren klassischen Wurzeln zurückgekehrt. Das begann 1986 mit der Gründung Ihres tollen Kammerorchesters „Camerata Rheintal“?
Ja, es war das erste Mal, dass etwa 25 Streicher aus Vorarlberg, Liechtenstein und der Schweiz gemeinsam musizierten, und zwar ohne Bezahlung, nur aus Freude an der Musik. Ich habe jedes Jahr zwei große Programme dirigiert und sogar eine Tournee in meine alte Heimat unternommen, wo meine ehemaligen Professoren von der Uni ganz schön gestaunt haben. Ich habe dafür auch eigene Kompositionen geschrieben wie die „Air for Strings“. Nach zehn Jahren aber war das zu Ende, weil es bei vergleichbaren Orchestern Honorare für die Musiker gab.

Über dem Rhein, in Widnau und Au, haben Sie dann 1987 auch Ihre Liebe zu Kirchenchören und Orchestervereinen entdeckt und für diese Besetzung große romantische Chor-Orchestermessen komponiert?
Meine „Marien-Messe“ von 30 Minuten Dauer wurde 2018 erfolgreich aufgeführt. Inzwischen habe ich schon das nächste Werk fertiggestellt, eine „Deutsche Festmesse“. Wir sind schon am Proben, die Leute sind mit Begeisterung dabei, die Uraufführung wird aber erst im Herbst 2023 sein.

Thomas, einer Ihrer beiden Söhne, ist ja inzwischen in Ihre Fußstapfen getreten und hat Österreich 2004 mit der Boygroup „Tie Break“ beim Song Contest in Istanbul vertreten. Wie stolz ist man da als Vater?
Unendlich stolz! Es war natürlich für ihn eine tolle Erfahrung im Showbusiness, die ganze Familie hat mitgefiebert. Thomas spielte schon mit sechs Geige, dann Klavier, Gesang und Gitarre am Jazzseminar Dornbirn und hat auch komponiert. 2012 war er auch beim RTL-Wettbewerb „DSDS“, „Deutschland sucht den Superstar“, und ist unter die Finalisten gekommen. Und ganz ohne Vaterstolz – Dieter Bohlen hat zu ihm gesagt: „Du bist der beste Musiker von allen!“

Haben Sie selber eigentlich auch Hits geschrieben?
Nicht bewusst. Aber einmal als 20-Jähriger habe ich in einem Kaffeehaus gespielt, da kam ein Mann und sagte: „Was kostet es, dieses Lied, das Sie gerade gesungen haben, auf eine CD zu bringen?“ Ich sagte, das muss arrangiert werden mit Streichern, Studiokosten – alles zusammen zweitausend Dollar. Am nächsten Abend hat er mir das Geld gebracht, in kurzer Zeit war der Song im Kasten und lief regelmäßig in der lokalen Radiostation – vor allem dann, wenn ich täglich morgens auf der Fahrt zur Uni im Autoradio meine eigene Musik hören konnte … Fritz Jurmann

TOM PEGRAM

Geboren 1954 in Winston-Salem

Ausbildung Studium an der Winthrop University, South Carolina/USA

Tätigkeit Auftritte und CD-Veröffentlichungen als Singer-Songwriter, Gitarrist und Geiger; Direktor bzw. Lehrer an den Musikschulen Dornbirn, Rankweil, Heerbrugg, Bregenz, Widnau; Komponist von Chor- und Orchesterwerken, Dirigate