Sonst bleiben es nur Töne

Singen mit Emotion und Hingabe ist für die Koblacherin Angelika Kopf-Lebar längst eine Herzensangelegenheit.
BATSCHUNS Mit jugendlich hellem Sopran erklimmt sie mühelos alle Gipfel, würde damit locker jeden Wettbewerb gewinnen. Ebenso wichtig ist Angelika Kopf-Lebar auch die Vielfalt ihrer musikalischen Tätigkeiten, eine feste Verankerung im Konzertleben des Landes mit breitem Repertoire, als geschätzte Gesangspädagogin und erfahrene Chor-Stimmbildnerin.
Ist diese musikalische Vielfalt zwischen Konzertpodium und Unterrichtsraum Ihr Traumjob?
Kopf-Lebar In meiner Studienzeit hatte ich noch keine konkrete Vorstellung von meinem Traumjob. Es ging primär darum, sängerisch besser zu werden, möglichst viele musikalische Erfahrungen zu sammeln, das Handwerk von Grund auf zu lernen. Das Studium der Gesangspädagogik ermöglichte mir das alles. Heute ist es manchmal schwierig, eine gute Balance zwischen meiner pädagogischen Arbeit und dem Konzertieren zu finden, ich schätze mich aber sehr glücklich, dass ich beide Möglichkeiten überhaupt habe. Und das erfüllt mich!
Sie besitzen einen schön geführten, abgerundeten Sopran mit einer außergewöhnlich strahlenden Höhe – ist das naturgegeben, gottgewollt oder antrainiert?
Kopf-Lebar Jede Stimme ist einzigartig und in diesem Sinne naturgegeben, doch erst die viele Übung, das wiederholte technisch-musikalisch richtige Singen macht den Sänger gut, die Stimme belastbar und verlässlich. Farbenreichtum und Flexibilität der Stimme habe ich mir so erarbeitet.
Angenehm für Ihre Auftritte ist es sicher, wenn man wie Sie mit Ihrem Mann Christian Lebar den Lebenspartner gleich auch als musikalischen Begleiter im Haus hat?
Kopf-Lebar Diese „romantische“ Vorstellung teilen viele, tatsächlich musizieren wir zu Hause meist anlassbezogen, für konkrete Auftritte. Wir sind uns in unseren musikalischen Vorstellungen sehr vertraut, das macht es einfacher.
Was ergibt sich daraus für Sie beide an Breite des Repertoires?
Kopf-Lebar Die Kirchenmusik und die damit verbundenen Anlässe sind unser Hauptbusiness, da mein Mann Organist und Cembalist ist. Wir erarbeiten aber auch weltliche Programme – dann meist mit Klavier – vom klassischen Lied bis zu moderner Musik, da hat eigentlich alles Platz. Seit einigen Jahren sind wir sogar mit Schlagern der 20er bis 40er Jahre unterwegs, diese pfiffigen deutschsprachigen Lieder machen uns Spaß, sind frech und in ihrer Interpretation sehr frei. Beim Publikum kommt das extrem gut an.
Haben Sie sich mit Ihrem Temperament, als Wirbelwind mit vielfältigen Aktivitäten, mit Ihrem natürlichen Ausdruck eigentlich noch nie zum Musiktheater hingezogen gefühlt?
Kopf-Lebar Meine musikalischen Schwerpunkte haben sich am Brucknerkonservatorium sehr klar herauskristallisiert: Alte Musik und Liedgesang. Meine Professoren haben mich sehr gefördert, mir viele Erfahrungen ermöglicht, sowohl solistisch als auch im Ensemble. Das war eine sehr fruchtbare Zeit.
Neben Ihrem Studium haben Sie auch Meisterkurse besucht, unter anderem bei Gundula Janowitz in Wien – hat das Spuren bei Ihnen hinterlassen?
Kopf-Lebar Auf jeden Fall! Von manchen Kursen zehre ich noch heute, es gab viele positive und inspirierende Erlebnisse und Begegnungen. Ich habe aber auch erlebt, dass selbst große Sänger*innen – also die, die es „geschafft“ haben – keine zufriedeneren Menschen und schon gar keine guten Lehrer sind.
Muss man solche Erfahrungen relativieren, wenn Sie heute neben Jugendlichen auch Erwachsene unterrichten?
Kopf-Lebar Mir ist sehr wohl bewusst, dass ich an der Musikschule Basisarbeit leiste. Als Musikschulpädagogin habe ich die Verpflichtung, jede/n Schüler*in individuell und möglichst umfassend zu fördern. Das gibt mir sehr viel Spielraum, Routine stellt sich selten ein.
Sie scheuen sich nicht, auch quasi aus der zweiten Reihe an einem Projekt mitzuwirken und wie bei Bachs h-Moll-Messe bei den Montforter Zwischentönen im Chor mitzusingen. Wären Sie da nicht lieber in der Reihe der Solisten gestanden?
Kopf-Lebar Nein, für solch große Werke braucht es professionelle Sänger, die täglich an ihrer Stimme arbeiten. Dazu fehlt mir neben Familie und Beruf schlicht die Energie. Die h-moll-Messe im Speziellen fordert von den Choristen große stimmliche Sicherheit – das war genau das Richtige für mich und – es hat mir sehr wohlgetan in der coronabedingt musikalisch dürren Zeit, in einer klingenden Gemeinschaft in der „ersten Reihe“ des Soprans Bach zu singen.
Diese Aufführung ging noch knapp durch. Vieles andere auch aus Ihren Planungen musste infolge der Pandemie abgesagt werden.
Kopf-Lebar Es hat uns alle getroffen. Glücklicherweise bestreiten wir unseren Lebensunterhalt mit dem Unterrichten, aber – die Situation lähmt und die Motivation sinkt. Künstler brauchen ein Podium und Wertschätzung, also Applaus von „echtem“ Publikum.
Wie war die Corona-Situation bei Ihnen im Unterricht – kann man per Distance learning zielführend Gesang unterrichten?
Kopf-Lebar Nein. Selbst wenn Tonqualität und Bild perfekt wären – nichts kann den Präsenzunterricht ersetzen. Gemeinsames Musizieren und Singen braucht eine unmittelbare Antwort, den gemeinsamen Atem, den Zusammenklang im Raum. Die Musikschulen wären sonst schon lange durch diversere digitale Medien verdrängt worden, die hohen Schülerzahlen sprechen aber klar gegen diesen Trend.
Ist der Gesang heute bei Ihnen so etwas wie eine Herzensangelegenheit geworden?
Kopf-Lebar Ja. Singen ist der unmittelbarste Ausdruck von uns Menschen. Emotion und Hingabe muss in jeder Note hörbar sein, sonst bleiben es nur Töne.
Zur Person
ANGELIKA KOPF-LEBAR
GEBOREN 1977 in Koblach, lebt in Batschuns
AUSBILDUNG Studium Gesangspädagogik am Landeskonservatorium Feldkirch und am Brucknerkonservatorium Linz sowie an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
TÄTIGKEIT als Solistin und Kammermusikpartnerin, Gesangspädagogin an den Musikschulen Tonart und Feldkirch, Mentorin für Lehrpraxis am Landeskonservatorium Feldkirch, Stimmbildnerin
FAMILIE verheiratet, zwei Töchter