Ein Abend voller Seelenlust

Hornist Felix Klieser und Chaarts boten Kontrast zur derzeitigen Weltlage.
Lindau „Die Welt, das Sündenhaus, bricht nur in Höllenlieder aus und sucht durch Hass und Neid des Satans Bild an sich zu tragen“, heißt es in der Bach-Kantate „Vergnügte Ruh‘, beliebte Seelenlust“. „Seelenlust“ ist der Titel des Konzertprogramms, mit dem der berühmte Hornist Felix Klieser und das Schweizer Kammerorchester Chaarts in Lindau auftraten, wahrlich ein Kontrast zur derzeitigen Weltlage. Chaarts vereint Musiker aus erfolgreichen Kammermusikensembles und Orchestern, an diesem Abend waren es elf, die in wechselnden Besetzungen spielten.
Den Auftakt bildete das Hornquintett Es-Dur, KV 407 von Mozart, mit zwei Mitgliedern des renommierten Casalquartetts im Ensemble, dem Bratscher Markus Fleck, hier an der ersten Geige, und Andreas Fleck am Cello. Klieser entlockte dem Horn kraftvolle, prachtvolle Töne, dynamisch fein abgestuft, aber nicht glatt. Es klang fast wie ein Naturhorn, leicht angeraut mit ein paar Körnchen Saharastaub. Das Quartett agierte schwungvoll und spritzig, abgesehen von ein paar kleinen Unsicherheiten des ersten Geigers zu Beginn. Zu einem Höhepunkt wurde Bachs Violinkonzert in a-Moll, BWV 1041. Als Solist (und in der Folge als Konzertmeister) trat der deutsch-britische Geiger und Bratschist Max Baillie auf, der mit schlankem, aber intensivem Ton und sprechender Gestaltung überzeugte. Das Besondere war die Mitwirkung einer Laute statt des üblichen Cembalos. Mit ihrem weichen Klang und durch die fantasievolle Ausgestaltung von Juan Sebastiàn Lima verlieh sie dem Ganzen einen sehr intimen, warmen Charakter.
Warmer, farbiger Klang
Klieser hat mit den Chaarts 2021 eine erfolgreiche CD „Beyond Words“ eingespielt, die Arien aus Barock und Klassik mit dem Horn statt einer Singstimme enthält. In seiner Einführung riet er dem Publikum, sich einfach auf die Musik einzulassen, ohne nach den Worten zu suchen. Es erklangen zwei getragene Arien von Händel und Vivaldi und Bachs „Erbarme dich“ aus der Matthäuspassion, in innigem Wechselspiel mit der Violine. Wie das Horn mit warmem, farbigem Klang den Part der menschlichen Stimme gestaltete, war einzigartig.
Unerschöpflicher Atem
Haydns sogenanntes Quintenquartett wurde in einer Fassung für sechs Geigen, zwei Bratschen, Cello und Kontrabass schwungvoll und mit manchmal fast zu deutlichen Akzenten musiziert. Durch die geigen- und basslastige Besetzung ging aber die Balance des komplexen Stimmengeflechts verloren.
Im Joseph Haydn nur zugeschriebenen Hornkonzert in D-Dur ließ Klieser noch einmal den leuchtenden Klang seines Horns erklingen und seinen unerschöpflichen Atem fließen, vom Orchester manchmal etwas zu zackig begleitet. Händels Largo aus Xerxes als Zugabe vervollständigte das Glück des leider nicht sehr zahlreichen Publikums, nach einem Abend voller Seelenlust. Wenn man Felix Klieser erlebt hat, fragt man sich, ob man das Horn auch anders als mit dem linken Fuß spielen kann. UL