Umgang mit Geschichte stringent fokussiert

Kultur / 22.04.2022 • 17:49 Uhr
Maria Eichhorn war im Jahr 2014 im KUB vertreten. jens Ziehe
Maria Eichhorn war im Jahr 2014 im KUB vertreten. jens Ziehe

2015 hat Yilmaz Dziewior den österreichischen Pavillon der Biennale Venedig kuratiert, nun verantwortet er den Auftritt im deutschen.

Venedig Die Architektur war schon Thema als Yilmaz Dziewior, einst Direktor des Kunsthaus Bregenz und nun Leiter des Museums Ludwig in Köln, den österreichischen Pavillon bei der Biennale in Venedig als Kurator verantwortete. Im Jahr 2015 nominierte er Heimo Zobernig zum Biennale-Künstler, der den Hoffmann-Bau in eine schwarzweiße Skulptur transformierte, die zugleich zum leeren bzw. einladenden Podium wurde, das sich ein paar Monate später in Bregenz und schließlich auch in Köln fortsetzte. Österreich war zwar von Anfang an auf der 1895 gegründete Kunstbiennale vertreten, errichtete aber erst 1934 einen Pavillon. Die Geschichte des deutschen Pavillons, dessen Kurator Yilmaz Dziewior nun ist, begann 1909 mit einem antik anmutenden Bau, der in den ersten Jahren Bayern zugeordnet war bevor er zum Padiglione Germania wurde, den die Nazis in für die Zeit typischer Protzarchitektur erweiterten und aufstockten. Seitdem beziehen jene Künstlerinnen und Künstler, die Deutschland bei der weltweit bedeutendsten Kunstausstellung vertreten, ihre Arbeit immer wieder auf den Ort, der die Ästhetik des Faschismus widerspiegelt. Hans Haacke ließ den Boden zertrümmern, Gregor Schneider das Publikum durchkriechen.

Geschichte und Taten freigelegt

Maria Eichhorn, geboren 1962 in Bamberg, die Dziewior für den für 2021 geplanten und nun wegen Pandemie auf heuer verschobenen Auftritt in Venedig engagierte, stellt ebenfalls die Geschichte des Bauwerks und die damit verbundene Politik in den Fokus. Sie legt die Schichten unter dem Boden und in den Wänden und damit die Geschichte dieses Gebäudes frei. Überlegt wurden aber auch weitere Möglichkeiten des Umgangs, in deren Rahmen Deutschland überhaupt aus der Bildfläche dieses Länderauftritte in den Giardini von Venedig verschwunden wäre. So erzählte Dziewior bei der Eröffnung am Freitagmittag von Plänen, das gesamte Gebäude in Teilen abzubauen und zwischenzulagern bzw. es im Ganzen zu versetzen. Was aufwendig klingt, taucht in der Geschichte prägnanter Bauwerke in verschiedenen Städten immer wieder auf.

Eichhorn geht es darum, wie wir heute mit der Geschichte umgehen und findet eine stringente Lösung. Zur Freilegung der Geschichte des Gebäudes, hinter dessen weißen Wänden hundert Jahre alte Ziegel oder der später angebrachte Beton sichtbar werden, zählen auch Führungen an Orte, die an die Deportation der jüdischen Bevölkerung sowie an jene des antifaschistischen Widerstands erinnern.

Bei der letzten documenta in Kassel im 2017, zu der Maria Eichhorn eingeladen war, forderte die Künstlerin das Publikum auf, ihr Raubkunst oder aus jüdischem Besitz enteignete Stücke zu melden. In Bregenz, wo sie Yilmaz Dziewior im Jahr 2014 ins Kunsthaus lud, errichtete sie unter anderem ein Podium, auf dem Umweltaktivistinnen und -aktivisten auftraten.

Yilmaz Dziewior ist Kurator des deutschen Pavillons. VN/cd
Yilmaz Dziewior ist Kurator des deutschen Pavillons. VN/cd
Der deutsche Pavillon der Biennale besteht seit 1909. carmeni
Der deutsche Pavillon der Biennale besteht seit 1909. carmeni
Konzeptkünstlerin Maria Eichhorn legt die Geschichte des von den Nazis erweiterten deutschen Pavillons frei. Jens Ziehe
Konzeptkünstlerin Maria Eichhorn legt die Geschichte des von den Nazis erweiterten deutschen Pavillons frei. Jens Ziehe

Die Biennale in Venedig läuft vom 23. April bis 27. November: labiennale.org