Kulturfeindlicher Kulturstadtrat
Kulturpolitik hat zu ermöglichen, jene, die für die Inhalte sorgen sind die Künstlerinnen und Künstler. Innerhalb dieses bewährten Systems, das in Österreich endlich Usus ist, hat die Politik gute Gestaltungsmöglichkeiten, bei denen sie am besten Seriosität walten lässt bzw. sich über Fachexpertisen absichert. Was also tun, wenn es für einen Termin, so wie nun für die große Bregenzer Sommerausstellung, zwei durchaus gute Konzepte gibt? Klug wäre es, das Gespräch mit den Konzepterstellern zu suchen, sich mit den Argumenten in Ruhe auseinanderzusetzen und alle Möglichkeiten auszudiskutieren. Denn vielleicht lassen sich auch beide Konzepte zu unterschiedlichen Zeitpunkten realisieren. Das dient der Kunst.
Der Bregenzer Kulturstadtrat Michael Rauth (ÖVP) entschied sich für eine Variante, die der Kunst schadet, bei der es keine Sieger geben kann und die zudem als kulturfeindlich zu bezeichnen ist, weil ihr Politwillkür anhaftet.
Mit dem Wissen um die für ihn günstigen Mehrheitsverhältnisse in der Landeshauptstadt überließ er die Entscheidung über das Konzept der Kulturserviceleiterin Judith Reichart und jenes, das über eine Einreichung der Künstlerin Ines Agostinelli auf seinen Tisch kam, dem Stadtrat. Es geht um öffentliche Gelder, Projekte haben Gremien zu durchlaufen. Das wissen wir. Wenn politischen Gremien die alleinige Entscheidungen über Kosten und vor allem kulturelle Inhalte auferlegt werden, wird es allerdings fragwürdig. Wenn man dann noch in Betracht zieht, dass die politische Opposition im Bregenzer Rathaus die Kulturserviceleiterin Judith Reichart in den letzten Monaten mit Vorwürfen konfrontiert hat, die allesamt in einem vielseitigen Justizakt als völlig haltlos zurückgewiesen wurden, ist es wenig überraschend, dass sich dieselben Fraktionen gegen den Sommerausstellungsvorschlag von Reichart stellten, während sich die Bürgermeister-Liste dafür aussprach. Gut, das Agieren der Opposition ist angesichts der Vorkommnisse somit nicht verwunderlich, aber es ist entwürdigend gegenüber den Künstlerinnen und Künstlern. Für jene, die abgelehnt wurden, wie für jene, die nun zum Zug kommen.
Gegen Gottfried Bechtold und sein „Taurus“-Projekt konnte man wohl nicht vorgehen, außerdem ist bekannt, dass eine andere Vorarlberger Stadt eingesprungen wäre, wenn Bregenz hier auch noch ein Veto eingelegt hätte.
Ines Agostinelli ist für ihr Projekt über die Randspiele in den 1970er-Jahren, auf die sie nach eigenem Bekunden erst vor ein paar Monaten stieß und das sich mehr als ein über einen längeren Zeitraum laufendes Symposiums- als ein Ausstellungskonzept liest, das zu wünschen, was ihr Judith Reichart in ihrem Eintreten für die Kunst schon angeboten hat – nämlich viel Hilfe bei der Ausarbeitung. Die Einreichung ist vom Thema her beeindruckend, aus ihr geht allerdings nicht hervor, was im Künstlerhaus in gut zwei Monaten konkret zu sehen ist. Die Kosten überschreiten mit knapp 106.000 Euro zudem weitaus jenes Budget, das die Stadt für die Sommerausstellung vorsieht. Es ist somit noch viel zu tun, wenn man bei einem breiten Publikum punkten will.
„Das Agieren der Opposition ist angesichts der Vorkommnisse in Bregenz somit nicht verwunderlich, aber es ist entwürdigend gegenüber den Künstlerinnen und Künstlern.“
Christa Dietrich
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