Über die Transformation von Werkstoffen

Gruppenausstellung „Wenn Material zur Form wird“ in der Artenne in Nenzing.
NENZING Der Kulturverein Artenne in Nenzing versteht sich als Plattform für Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur im ländlichen Raum. Ein erklärtes Ziel ist es, das Bewusstsein für das Kulturerbe und dessen Potenzial für die Zukunft in der Region zu stärken sowie einen Zugang zur zeitgenössischen Kunst und Kultur für alle zu schaffen.
Ein aktueller Schwerpunkt liegt auf der Auseinandersetzung mit der Industrialisierung des Walgaus und den damit zusammenhängenden Einflüssen auf die wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Entwicklung. Nicht zuletzt aus diesem Grund entstand die Gruppenausstellung „Wenn Material zur Form wird“. Karlheinz Pichler, Kurator dieser spannenden Ausstellung, meinte im Rahmen seiner Vernissagerede: „Die Ausstellung ‚Wenn Material zur Form wird‘ kann auch als künstlerischer Einstieg in diese industriegeschichtliche Folgeausstellung betrachtet werden.“

In weiterer Folge gab Pichler einen Überblick zur Rolle des Materials in der Kunst: „Über Jahrhunderte hinweg stand die makellose Ausarbeitung der Form im Zentrum des künstlerischen Schaffens. Das Material war nur ein Mittel zum Zweck. Es musste gebändigt und überwunden werden. In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts aber haben die Materialien, Vorläufern wie etwa Marcel Duchamp folgend, die Oberhand gewonnen.“ Seit diesem Zeitpunkt seien nicht mehr nur als edel geltende, wie Marmor und Gold, sondern gerade auch vielfach als „minderwertig“ angesehene Materialien wie Erde, Fett, Industriemüll, Plastik, Stahl, textile Materialien oder auch Abfallprodukte in der Kunst verwendet worden. Dies sei zunächst als massive Grenzverletzung erlebt worden. „Dann aber evozierte der Einsatz solcher häufig aus dem Alltag gegriffenen Materialien und Dinge neue Formen und Perspektiven. Mit den bislang diskriminierten und nicht für kunstwürdig befundenen Stoffe konnten mit einem Male pointierte Aussagen über den Zustand der Gegenwart und aktuellen Befindlichkeiten der Gesellschaft getroffen werden und die Themen der Zeit auf eine neue Weise sichtbar gemacht werden“, führte Pichler weiter aus.

Materialien unterschiedlichster Ausprägung bilden den Ausgangspunkt für diese Ausstellung. Mit den Künstlern Roland Adlassnigg, Luka Jana Berchtold, Bildstein/Glatz, Judith P. Fischer, Bernhard und Mathias Garnitschnig, Sophie C. Grell, Dagmar Höss, Ra’anan Harlap, Ewald Hotz, Claudia-Maria Luenig, Bianca Lugmayr, Pavel Schmidt, Franziska Stiegholzer, Markus Strieder, Gerold Tagwerker, Franz Türtscher und Amrei Wittwer wird die Vielseitigkeit der Gestaltungsmöglichkeiten unterschiedlichster Werkstoffe vorgestellt. Die verwendeten Materialien reichen dabei von Keramik, Holz, Eisen und Stahl bis hin zu Textilien, Glas oder Kunststoff sowie Fertigprodukten aus Baugroßhandlungen. „Die Werke zeugen vom Erfindungsreichtum der Künstler, von der Lust am Umgang mit dem Material und dem Drang, klassisch-traditionelle Formalsprachen zu überwinden“, so Pichler. Die jeweiligen Beiträge würden zudem auch den von der Industrie forcierten Drang der Formenstandardisierung sprengen. „So legen die Künstler unter anderem die Texturen und Geheimnisse, die den Werkststoffen innewohnen, frei und transformieren sie in neue Sinnzusammenhänge. Die Arbeiten erzeugen Öffnungen und Leerräume, geben Einblicke in das Innere und Äußere des Materials und bieten den Betrachtern auch immer wieder haptische Anreize und unzählige Denkanstöße“, brachte Pichler die Wirkweise der ausgestellten Artefakte auf den Punkt. Monika Bischof

