Die Welt der Musik auf den Kopf gestellt

Kultur / 24.10.2022 • 15:00 Uhr

Das Percussion-Trio Colores verhalf Arpeggione zu einem mitreißenden Saisonfinale.

HOHENEMS Besser hätte die Konzertreihe des Kammerorchesters Arpeggione nicht enden können als mit diesem Feuerwerk an virtuosen schlagtechnischen Einlagen des Percussion-Trios Colores.

Intendant Irakli Gogibedaschwili hat eine relativ vernachlässigte Instrumentengruppe ins Zentrum des Abends gerückt und dabei ins Schwarze getroffen. Ein Bombenerfolg, der so viel spontane Freude, Erstaunen und Spaß ausgelöst hat, wie man sie im Rittersaal selten erlebt. Für die souveräne Koordination des diesmal in reiner Streicherbesetzung auftretenden Orchesters sorgte der Chef persönlich. Bei Robert Bokor am Pult entfalten die Musiker ohne Wenn und Aber stets besondere Klangkultur und frechen Spielwitz.

Das zeigt sich im ersten Teil des Abends, der noch im gewohnten Rahmen abläuft. Musik zweier ungarischer Komponisten des 20. Jahrhunderts wird da einander gegenübergestellt, die konträrer nicht sein könnte, auch wenn sie beide Landsleute und Zeitgenossen waren. Aber auch der Mentalität dieser zum Großteil heute noch aus dem Osten Europas stammenden Musikern von Arpeggione kommt diese Programmwahl entgegen, wie sich bei dem von ungarischer Volksmusik geprägten einleitenden Divertimento von Leo Weiner im Temperament der vier kurzen Tänze erweist.

Ernst von Dohnányi

Den totalen Gegensatz dazu bildet die sehr eigene Klangsprache, die Ernst von Dohnányi für sein Streichsextett gefunden hat, das dabei in einer Bearbeitung für Streichorchester zur Uraufführung kam. Es atmet zwar den Geist der Musik des 20. Jahrhunderts, ist aber vor allem im intensiven Adagio stark von der Romantik geprägt. Bokor hat dabei seine Truppe wie immer fest im Griff, hoch konzentriert und fein differenziert.

Wie ausgewechselt ist die Szene dann nach der Pause, in der nun das Trio Colores das Kommando übernimmt. Mit Matthias Kessler aus Vorarlberg, Sohn des Arpeggione-Musikers Markus Kessler und bereits fest als Solopauker der Hamburger Symphoniker verpflichtet, sowie den beiden Schweizern Luca Staffelbach und Fabian Ziegler sind das drei gut zwanzigjährige Schlagzeuger, die nach ihrem Studium in Zürich zu diesem besonderen Ensemble zusammenfanden. Gemäß ihrem Namen wollen sie mit einer Fülle verschiedenster Klangfarben und Effekten die Welt der Musik auf den Kopf stellen. Nicht anders kann man auch ihr Unterfangen bezeichnen, mit zwei riesigen Marimbafonen und einem Vibrafon, die fast die Hälfte der Bühne einnehmen, zusammen mit dem Orchester die drei Solostimmen in einem barocken Telemann-Konzert auf Instrumenten zu spielen, die in ihrer modernen Form erst über 200 Jahre nach dem Tod dieses Komponisten erfunden wurden. Die perkussiven Effekte, die Virtuosität und Spielfreude der drei jungen Wirbelwinde wischen alle musikhistorischen Bedenken mit einem Schlag vom Tisch und werden für alle Anwesenden einfach zum Gaudium.       

„The Typewriter“

Neben mehreren Zugaben muss ein solcher Abend fast zwangsläufig mit „The Typewriter“ enden, der Musik gewordenen rhythmischen Schreibmaschine aus der Werkstatt von Leroy Anderson, vom amerikanischen Komiker Jerry Lewis 1963 im Film unsterblich gemacht. Und es wäre nicht die geniale Verbindung zwischen Arpeggione und Colores, wenn man sich da mit einem einzigen Schreibgerät begnügen würde. Nein – es sind gleich drei altertümliche Schreibmaschinen, auf denen sich die Youngsters voll Vergnügen austoben, natürlich stets hochpräzise im Rhythmus mit dem Orchester verbunden. Die Begeisterung ist grenzenlos.

FRITZ JURMANN