Wohnungen für 100.000 Menschen

Kultur / 13.11.2022 • 11:00 Uhr
Zehn Prozent der Bregenzer leben in Wohnungen, die Gunter Wratzfeld geplant hat.  <span class="copyright">frederick sams</span>
Zehn Prozent der Bregenzer leben in Wohnungen, die Gunter Wratzfeld geplant hat. frederick sams

Gunter Wratzfeld – publizistischer Rückblick auf ein beeindruckendes Lebenswerk.

Dornbirn Gunter Wratzfeld, geboren 1939 in Bregenz, absolvierte zunächst eine handwerkliche Lehre zum Maurer und Zimmermann, bevor er nach der Matura an der HTL Innsbruck an die Akademie der bildenden Künste wechselte. Seit dem Abschluss seines Architekturstudiums kann Wratzfeld auf ein reichhaltiges Schaffen zurückblicken. In der Publikation „Architektur als soziales Handeln am Beispiel Gunter Wratzfeld“ werden 50 Objekte des Ausnahmearchitekten vorgestellt, herausgegeben und kommentiert von der Kunsthistorikerin Karin Mack. 150 Farbfotos, Grundrisse und Schnitte geben eine Vorstellung von der Originalität seiner Entwürfe und Formensprache. Das Buch bietet interessante Einblicke in seine Bautätigkeiten in Vorarlberg, Wien, Stuttgart und Afrika. Textbeiträge von Bettina Götz, Richard Manahl, Andreas Cukrowicz, Robert Fabach, Karin Mack und Erich Steinmayr runden den Band ab.

Die Siedlung an der Ach in Bregenz ist eine große Fußgängerzone, erschlossen mit nur einer Straße.  <span class="copyright">vn/roland paulitsch</span>
Die Siedlung an der Ach in Bregenz ist eine große Fußgängerzone, erschlossen mit nur einer Straße. vn/roland paulitsch

Rückblickend sei von den vielen Projekten, die er in den 60 Jahren seines Berufslebens geplant hat, die „Siedlung an der Ach“ sein interessantestes. Für Wratzfeld war es besonders wichtig, die gesamte Siedlung als eine einzige Fußgängerzone zu planen. Es gibt keinerlei Binnenverkehr, die Häuser liegen an einer einzigen, damals schon bestehenden Straße. „Man muss sich nur vorstellen: Wenn die Achsiedlung mit ihren 3.500 Einwohnern eine eigene Gemeinde wäre, wären umgelegt mehr als 50 % der Vorarlberger Gemeinden lediglich durch eine Straße und ein paar Tiefgaragen erschließbar. Der Bregenzer Bürgermeister Michael Ritsch erzählte mir kürzlich von einer Studie eines Hochschulinstituts, das beauftragt worden war, zu untersuchen, was man bei der Siedlung an der Ach besser machen könne. Sie haben vor Ort recherchiert und das Ergebnis war, dass sie keinerlei Fehler finden konnten. Alle Qualitäten, die man einer Siedlung anrechnen kann, sind vorhanden. Da die Siedlung sehr groß ist, hat sie allein deswegen schon ihre Probleme, das liegt in der Natur der Sache.“

Das erste von Gunter Wratzfeld geplante Haus aus dem Jahr 1963 besticht durch zeitlose Schönheit.
Das erste von Gunter Wratzfeld geplante Haus aus dem Jahr 1963 besticht durch zeitlose Schönheit.

Über alle Jahrzehnte hinweg legte Wratzfeld immer großen Wert darauf, auch bei anderen Projekten fußläufige Erschließung zu ermöglichen. „Einmal wurde ich von einer Mutter und ihrem Kind angesprochen, die meinte: ‚Schau, das ist der Architekt, der unsere Siedlung gemacht hat, in der du den ganzen Tag herumspringen kannst.‘ Schade, dass viele Siedlungen diese Prämisse nicht erfüllen, es ist keine Schwierigkeit und kostet keinen Euro mehr.“

In der Publikation „Architektur als soziales Handeln am Beispiel Gunter Wratzfeld“ werden 50 Objekte vorgestellt.
In der Publikation „Architektur als soziales Handeln am Beispiel Gunter Wratzfeld“ werden 50 Objekte vorgestellt.

In Bregenz wohnen mehr als 10 % der Bürger in Wohnungen, die Gunter Wratzfeld gebaut hat. Insgesamt hat er mehr als 3000 Wohnungen geplant, 1500 in Vorarlberg, die andere Hälfte in Wien. Und so kommt die erstaunliche Summe von 100.000 Menschen zusammen, die in Wohnungen des Vorarlbergers leben. Sein besonderes Augenmerk galt stets dem sozialen Wohnbau sowie dem verdichteten Bauen in Reihenhaussiedlungen. Weitere wichtige Projekte des Architekten waren die Polizeidirektion in Bregenz, die Kindergärten Weiler und Koblach, Bauten für das AMS Bregenz und Wien-Laxenburgerstraße sowie die Rotkreuz-Rettungszentralen in Bludenz und Feldkirch.

Ein Lebenswerk, auf das Gunter Wratzfeld, der noch immer als Architekt tätig ist, zurecht stolz sein darf.