Walter Fink

Kommentar

Walter Fink

Rekordbudget mit Minus für Kultur

Kultur / 18.11.2022 • 17:58 Uhr

Nicht ohne Stolz wurde von den Spitzen der schwarz-grünen Koalition im Land, von Landeshauptmann Markus Wallner und Landesrat Daniel Zadra, das Budget des Landes für das kommende Jahr vorgestellt. Erstmals hat man die Zwei-Milliarden-Grenze durchbrochen, erstmals hat man aufgrund von höheren Wirtschaftsleistungen und Zahlungen des landeseigenen Energieunternehmens vkw illwerke unerwartete Mittel in Höhe von 100 Millionen Euro. Das ist natürlich höchst erfreulich und schlägt in verschiedenen Bereichen auch im Budget durch – aber leider nicht in der Kultur. Da gibt es für viele wenig zu lachen, denn die Mehreinnahmen gehen in Rückzahlung von Schulden und nicht in Investitionen in Bildung oder Kultur. Die Zeit ist noch nicht lange zurück, da haben die österreichischen Bundesländer neidvoll auf die Kulturzahlen in Vorarlberg geschaut, denn jedes Jahr gab es da Erhöhungen, wo andernorts Kürzungen stattfanden. Das galt auch für die Nachbarn über dem See, in den Schweizer Kantonen und den deutschen Bundesländern. Vorarlberg war so etwas wie ein Vorzeigeland, in dem die Kulturbudgets ständig überproportional stiegen. Diese Zeiten sind leider vorbei, die Kultur fällt mit Steigerungsraten von etwa drei Prozent bei zehn Prozent Inflation deutlich zurück. Einfach gesagt: Im nächsten Jahr wird es für die Kultur weniger Geld geben als heuer. Wie die einzelnen Kulturgruppen, wie die größeren Institutionen da wirtschaften sollen, das wird nicht mit den Budgetzahlen geliefert. Tatsache ist, dass in der Kultur ein Rückschritt erfolgen muss: Entweder müssen angesichts der rückläufigen Budgets die Programme gekürzt werden oder man muss am Personal sparen – unter Umständen sogar beides. Das klingt nicht so dramatisch wie es tatsächlich ist. Die an Kultur Interessierten bekommen weniger Angebote, die Mitarbeiter in den Betrieben, im organisatorischen Bereich ebenso wie im künstlerischen, müssen mit Entlassungen rechnen.

So drastisch hat sich die Situation in der Vorarlberger Kulturszene seit Jahrzehnten nicht mehr dargestellt. Und man sage jetzt nicht, man müsse zuerst auf die „lebenswichtigen“ Dinge, etwa im Sozialbereich, schauen, und erst dann auf die Kultur. Schon lange wissen wir, dass Kunst und Kultur für die Menschen lebenswichtig sind, dass ohne Kultur menschliches Dasein zum Untergang verurteilt ist. Das ist es vielleicht angesichts der Klimakrise, gegen die viel zu wenig unternommen wird, ohnehin, aber wenn wir schon in den Untergang gehen, dann bitte – um es etwas sarkastisch zu sagen – mit bester künstlerischer Begleitmusik. Und vielleicht ist es überhaupt umgekehrt: Vielleicht liegt das Umdenken für die Welt in der Kultur, denn nur wer Kunst versteht, der versteht auch die Welt. Und kann sie damit – vielleicht – retten.

„So drastisch hat sich die Situation in der Vorarlberger Kulturszene seit Jahrzehnten nicht mehr dargestellt.“

Walter Fink

walter.fink@vn.at

Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.