“Publikum möchte keine Sparversionen sehen”

Kultur / 30.12.2022 • 17:46 Uhr
Stephanie Gräve übt Kritik an den Aussagen von Christoph Thoma, der Einsparungspotenzial mithilfe von Kooperationen mit anderen Häusern sieht. VN/Paulitsch
Stephanie Gräve übt Kritik an den Aussagen von Christoph Thoma, der Einsparungspotenzial mithilfe von Kooperationen mit anderen Häusern sieht. VN/Paulitsch

Stephanie Gräve über die finanzielle Lage am Landestheater.

Bregenz „Die finanzielle Lage am Landestheater ist angespannt“, fasst Intendantin Stephanie Gräve die derzeitige Situation zusammen. Die letzte substanzielle Erhöhung habe es 2013 gegeben, seit 2014 gab es nur geringe Steigerungen, 2021 eine Reduktion um drei Prozent. Wie berichtet, wird das Kulturbudget 2023 um rund 2,4 Prozent erhöht, was de facto eine Kürzung um sieben Prozent bedeutet. „Da die Personal- und Infrastrukturkosten in diesen zehn Jahren kontinuierlich gestiegen sind, wurde infolgedessen das künstlerische Produktionsbudget kontinuierlich reduziert.“ 2018 brachte das Landestheater noch zehn Eigenproduktionen auf die Bühne. „In der nächsten Spielzeit 2023/24 werden es nur noch acht sein“, gibt Gräve einen Ausblick. Der Wegfall der Oper wurde bereits im vergangenen Jahr aufgrund der schrumpfenden Budgets beschlossen.

Erkrankungswelle

Auch beim Personal habe man reduzieren müssen, weggefallen sei etwa eine Technikstelle. „Da sind wir im Dezember sehr an unsere Grenzen gestoßen, weil uns zudem die Infektionswelle voll getroffen hat. Mit dem reduzierten Personal können diese Erkrankungen kaum noch aufgefangen werden.“ Das sei auch deshalb bedauerlich, weil die Nachfrage am Theater so groß wie lange nicht mehr sei. Zudem sei auch viel neues und junges Publikum dazugewonnen worden. „Wir haben sehr gute Resonanzen vom Publikum. In diesem Herbst und Winter konnten wir zwischen 15 und 20 Prozent mehr Publikum als vor der Coronapandemie verzeichnen. Wir merken jetzt, dass wir zu weit reduziert sind und wir uns personell wieder besser aufstellen müssen, sonst können wir die Nachfrage, die es gibt, nicht mehr erfüllen“, zeigt sich die Intendantin besorgt. Mit dem Wegfall der Oper können die notwendigen Stellen zwar nachbesetzt werden. „Es wäre aber schon ein großer künstlerischer Verlust, wenn die Oper dauerhaft entfallen würde.“ Gräve hofft deshalb auf eine Extrafinanzierung vom Land. „Uns ist die Oper sehr wichtig, aber ich kann dadurch nicht den Betrieb kaputt machen.“

„Er irrt sich“

Kritik übt Stephanie Gräve an den Vorschlägen von VP-Kultursprecher Christoph Thoma, der Einsparungspotenzial mithilfe von Kooperationen mit anderen Theaterhäusern sieht. „Er irrt sich“, sagt Gräve. „Der Auftrag eines Landestheaters ist es, mit festen Mitarbeiterinnen vor Ort Theater für die Menschen in der Region zu produzieren. Ein gut funktionierendes Landestheater in die Struktur eines Bespielhauses zu überführen, erschließt sich mir nicht.“ Diese Auseinandersetzung mit der Region sei nur dann zu leisten, wenn man die künstlerischen Teams vor Ort habe. Zwar setzte das Landestheater auch auf Koproduktionen und Gastspiele. „Es ist aber immer ein schwieriges Unterfangen, weil die Identifikation des Publikums extrem über das Ensemble funktioniert. Es geht um Theater für dieses Land.“ Das habe man etwa beim Gastspiel „King Size“ von Christoph Marthaler gesehen. „Wir hatten große Mühe, den Saal zu füllen.“ Zudem sieht die Intendantin durch Kooperationen nur wenig Einsparungspotenzial. Bei einer Koproduktion spare man etwa 25 Prozent. „Das löst aber unsere finanziellen Probleme nicht.“ Was das Vorarlberger Landestheater auch lebendig mache, seien Liederabende, Lesungen und ein umfangreiches Angebot für Kinder und Jugendliche. „All das wäre ohne fixes Ensemble nicht finanzierbar.“

„Totes Haus“

Es brauche eine gewisse Frequenz und ein entsprechendes ganzjähriges Angebot, um überhaupt als attraktiver Ort wahrgenommen zu werden, betont Gräve. „Wir kommen mit acht Produktionen gut durch das Jahr. Wenn wir aber noch weiter runterfahren, wird es ein totes Haus.“

Als Landestheater habe man einen Bildungsauftrag, der sich an die ganze Bevölkerung richte. „Solange das Publikum kommt, wäre es schade, weiter zu reduzieren. Das Theater noch mehr abzubauen, wäre für dieses Land eine geistige Verarmung. Das Publikum möchte zudem keine Sparversionen von unseren Inszenierungen in irgendwelchen Sälen sehen, sondern das richtige Theatererlebnis erfahren.“ VN-TAS