Nur ein Schimmer Hoffnung bleibt

Der Dirigent Manfred Honeck inszenierte Mozarts Requiem in der Erlöserkirche.
LUSTENAU Die Sehnsucht muss so groß gewesen sein wie die Anziehungskraft. Es hat durch die Pandemie diesmal fünf Jahre gedauert, bis der weltweit berühmte Dirigent Manfred Honeck die über zwei Jahrzehnte gepflegte Tradition fortführen konnte, seinen Landsleuten alle zwei Jahre in der Karwoche eine Aufführung von Mozarts Requiem zu schenken.
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Er will damit bei aller Internationalität ein Zeichen setzen für seine Verbundenheit mit Land und Leuten. Begonnen hat das Projekt in seiner Heimatgemeinde Altach, später wurde es in der Erlöserkirche fortgeführt, wo das jüngste Konzert am Mittwoch nach der langen Pause von Musikfreunden aus dem ganzen Land regelrecht gestürmt wurde.

Pfarrer Thomas Sautter als Hausherr und Veranstalter verweist darauf, wie wichtig ein solcher Anlass für das persönliche Innehalten und Besinnen gerade in der Dramatik unserer Tage ist. Und wirklich wird hier erneut in einer klaren Dramaturgie ein weitläufiges musikalisches Konzept geboten, das weit über den Rahmen und geistigen Anspruch eines Konzertes hinausgeht und dessen verinnerlichte Inszenierung das Publikum tief berührt und zur Stille anhält: Zwei Stunden lang kein Applaus, dafür nach dem überirdisch schwebenden „Ave verum“ am Ende noch minutenlang schweigendes Verharren zum Ton der großen Glocke.

Die Faszination dieses Erlebnisses gründet auch diesmal wieder ganz klar in der Persönlichkeit Manfred Honecks. Es ist vor allem seine Aura, die jedes dieser Konzerte zu einem besonderen macht, auch seine tiefe Verankerung in Glauben, Religion und Gott, manifestiert in einer sehr glaubhaften und textbezogenen Wiedergabe von Mozarts unsterblichem Requiem in der Originalfassung. Groß ist seine Spannweite zwischen Demut und Mut, wenn er sich Mozarts ruhig fließenden Teilen im sanften Licht der Trauer nähert oder im Aufbegehren gegen das Schicksal, wenn es um die schrecklichen Verheißungen der Apokalypse geht und er scharf akzentuiert die letzten Reserven seiner 130 Mitwirkenden mobilisiert. Da bleibt kaum mehr als ein Schimmer Hoffnung auf die Auferstehung.

Für die Aufführung steht Honeck heuer zum zweiten Mal nach 2018 der über 60-köpfige Philharmonische Chor München zur Verfügung, einer der führenden Profi-Konzertchöre Deutschlands, der auch diesmal durch vokale Strahlkraft, Klangkultur und Präzision begeistert. Auch das Symphonieorchester Vorarlberg mit Konzertmeister Pawel Zalejski zeigt sich als durchaus ebenbürtiger Partner und lässt nach dem Gestaltungswillen des Dirigenten nichts an Plastizität, Dramatik und analytischer Feinarbeit vermissen. Dann bestimmen auch die vier Solisten mit ihrer Ausstrahlung ganz wesentlich den Stil dieser Aufführung. Die hier lange bekannte Tiroler Sopranistin Maria Erlacher verströmt luxuriösen Wohlklang, die Vorarlbergerin Nina Maria Edelmann, hier noch unter ihrem ledigen Namen Plangg bekannt, ist eine klangliche Wohltat in der Mezzopartie. Ihr Mann Paul Armin Edelmann aus der Wiener Sänger-Dynastie beeindruckt als Bass mit nuanciert sonorer Stimmkunst, der niederösterreichische Tenor Martin Mairinger fügt sich mit kräftig hellen Tönen ins Ensemble.

Wie gewohnt, gibt es um diese zentrale Aufführung ein theologisch und philosophisch geschmackvoll ausgesuchtes Rahmenprogramm, das mit Projektionen und einer genauen Lichtregie die Konzentration des Abends noch verdichtet und das Publikum in Atem hält. Mit beteiligt daran sind eine Choralschola, der in seiner natürlichen Sprechkunst überzeugende junge Philip Wagner und der Organist Michael Schwärzler mit einer farbprächtigen Improvisation.
Fritz Jurmann