Walter Fink

Kommentar

Walter Fink

Millionen gegen Brosamen

Kultur / 28.04.2023 • 18:06 Uhr

Gerne gehe ich am Ufer des Bregenzer Bodenseeufers, schau mir auf der einen Seite den Fortschritt des Ausbaus der Pipeline, auf der anderen den Neubau der Hypo-Unterführung und vor allem die großen Häuser nach den bisherigen Festspielbauten an: das riesige Werkstattgebäude und das nicht weniger große Hallenbad. Die Stadt Bregenz gibt für das neue Schwimmen nach alten Schätzungen etwa 70 Millionen Euro aus, im Endergebnis wird es dann wohl deutlich mehr sein. Dafür wird das alte Hallenbad, architektonisch durchaus ansprechend und mit Malerei von Hubert Berchtold geradezu geadelt, dem Erdboden gleichgemacht. Man muss nicht mehr darüber streiten, der Neubau hat längst begonnen, von Berchtolds Malerei soll immerhin ein Teil im neuen Außenbereich erhalten bleiben.

Finanziell ebenso beteiligt ist die Stadt Bregenz bei den Festspielen am Zubau zur Werkstattbühne, den verschiedenen technischen Erneuerungen und der Verbesserung der Zuschauertribüne. Der „Zubau zur Werkstattbühne“ wird ein völlig neuer Trakt bei den Festspielen, größer als die Werkstattbühne mit einem riesigen Foyer, bei dem man wohl davon ausgehen kann, dass sich hier nicht nur technischer Aufbau, sondern auch Veranstaltungen vom alten Haus in den neuen Bereich verlagern werden. In ersten Gesprächen noch der früheren Stadtregierung wurde von einem Volumen von etwa 55 Millionen Euro gesprochen, 2022 meinte Bürgermeister Michael Ritsch, dass die Bausumme 60,5 Millionen betragen würde, inzwischen ist die Rede von 79 Millionen, und das wird noch nicht das Ende sein. Mit dem neuen, großen Bau werden nicht zuletzt auch die Kosten für den laufenden Betrieb und die Aufführungen steigen, vermutlich nicht unbeträchtlich. Allerdings werden die Kosten bei den Festspielen in Bregenz für alle Aufwendungen geteilt: Der Bund steuert 40 Prozent bei, das Land 35 Prozent und die Stadt 25 Prozent. Nach heutigem Stand heißt das allerdings, dass von den 79 Millionen knapp 50 Millionen in Vorarlberg aufzubringen sind.

Nimmt man diese Zahlen und die Steigerungsraten, dann wundert man sich nicht, dass es im Sozialbereich und bei den Kulturveranstaltern und Künstlern viel Zorn gibt. Denn für diese beiden Gruppen wurden die Budgets in vielen Bereichen nur gering bis gar nicht erhöht – bei einer Inflation von knapp zehn Prozent. Da mag man sich bei der Stadt Bregenz und vor allem beim Land, wo die Zurückhaltung bei Steigerungen im Kulturbereich geradezu unverständlich ist, gute Argumente überlegen. Denn sonst sind wir bei den einschlägigen ­Diskussionen wieder dort, wo wir in den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts standen: Hier die Hochkultur, dort die kleineren Kulturveranstalter und Künstler. Diese Ebene sollten wir eigentlich längst überwunden haben. Wenn allerdings „Millionen gegen Brosamen“ ausgespielt werden, dann könnte dieses Thema ganz schnell wieder aufkochen.

„Die Stadt Bregenz gibt für das neue Schwimmen nach alten Schätzungen etwa 70 Millionen Euro aus.“

Walter Fink

walter.fink@vn.at

Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.