Walter Fink über Bregenz: Kann man sich einen neuen Bahnhof ersparen?
Vor kurzem musste ich wieder einmal auf den Bregenzer Bahnhof, den ich ansonsten meide, so gut ich das kann. Und wieder einmal war es mir peinlich vor den Freunden, die ich abholen sollte.
Wir hatten Pech, es regnete, und überall standen Kübel verschiedenster Farbe auf dem Boden, die die Tropfen vom undichten Dach auffangen sollten. Zudem ging die Rolltreppe nicht, der Lift war ebenso außer Betrieb. So mussten meine Freunde ihre schweren Koffer über die Stiegen schleppen. Sie kannten die Situation, sagten freundlicherweise kein Wort der Kritik und ich senkte mein Haupt, um keine vorwurfsvollen Blicke zu bekommen für den Bahnhof, der seit einem Jahrzehnt in schöner Regelmäßigkeit als der schlechteste Bahnhof der Nation gewählt wird.
Die unendliche Geschichte dieses Empfangsgebäudes der Stadt reicht Jahrzehnte zurück. 1872 wurde der Bahnhof – in üblichem Schönbrunnergelb gehalten, wie so viele andere Bahnhöfe auch – mit der Inbetriebnahme der Strecke Lochau-Bludenz errichtet. Über 100 Jahre hat er gute Dienste getan, war mit der Gulaschbrücke durchaus eine Zierde der Stadt. Doch dann kann mit Fritz Mayer ein Baumensch als Bürgermeister, der neben dem Autobahntunnel durch den Pfänder auch die Vision verfolgte, die Bahn in einen Tunnel zu bringen. Deshalb musste der alte Bahnhof abgerissen und an einen neuen Standort Richtung Vorkloster verlegt werden.
Fritz Mayer erlebte die Vollendung des neuen Bahnhofs 1989 nicht mehr – zu seinem Glück, kann man sagen, denn der Bau war von vornherein vermurkst. Architektonisch ebenso wie funktionell. Und die Verlegung der Bahn blieb ohnehin Vision.
Und jetzt, gut dreißig Jahre nach Inbetriebnahme, ist der „neue“ Bahnhof eine Ruine, muss abgebrochen werden. Aber einen anderen gibt es noch nicht, nachdem ein Architektenwettbewerb der letzten Stadtregierung, der ein interessantes Projekt von Dietrich/Untertrifaller am derzeitigen Standort brachte, von der nun neuen Stadtregierung unter Bürgermeister Michael Ritsch in die Schublade gelegt wurde. Was also tun? Der alte Bahnhof ist abbruchreif, einen neuen gibt es noch nicht einmal als Standort. Und so wird derzeit an einem Provisorium gearbeitet, das Hilfe bringen soll.
Seit einem Jahr baut man in Bregenz an einer neuen Unterführung bei der Hypo-Bank. Man baut schon seit langer Zeit und nun nochmals so lang, damit man die Unterführung auch als Ausweichbahnhof verwenden kann. Nach allem, was man derzeit sehen kann, sollte das ein taugliches Projekt werden. Vielleicht sogar so tauglich, dass man sich einen neuen Bahnhof überhaupt ersparen kann. Es wäre ja nicht das erste Mal in Österreich, dass ein Provisorium in einen Dauerzustand übergeht, dass also bei uns die Hypo-Passage der neue Bahnhof für Bregenz wird. Fast traue ich mich darauf zu wetten. Dann wäre ja der Bahnhof auch wieder am alten Platz in der Stadt.
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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