Das Ende einer Legende
Seit Anfang des Jahres gab es immer wieder Solidaritätskundgebungen zur „Wiener Zeitung“, der von der Bunderegierung ohne jede Not, aber durchaus mit Kalkül der Geldhahn zugedreht wurde.
Damit erschien die letzte Ausgabe der ältesten Zeitung der Welt, die erstmals am 8. August 1703 – damals noch als „Wiennerisches Diarium“ – auf den Markt kam, gestern zum letzten Mal. Und niemand in der Regierung scheint sich für diese kulturelle Niedertracht zu schämen. Zahlreiche Personen der Zivilgesellschaft, oberste Vertreter aller anerkannten Religionsgemeinschaften, Wissenschafter:innen, Rektor:innen, Künstler:innen, Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer, Ex-Kanzler Franz Vranitzky sowie seitens der ÖVP der frühere EU-Kommissar Franz Fischler, Reinhold Mitterlehner und EU-Parlamentspräsident Othmar Karas – um nur einige zu nennen – unterstützten in Veranstaltungen und Petitionen das weitere Bestehen der gedruckten Ausgabe der „Wiener Zeitung“, nahezu alle Chefredakteure der wesentlichen österreichischen Zeitungen stiegen für die Zeitung, die ja eigentlich Konkurrenz war, in den Ring. Vor allem viele Künstlerinnen und Künstler, die den „vielleicht besten Kulturteil des Landes“ nicht verlieren wollten, appellierten an die Bundesregierung. Alles vergeblich. Und die Verwunderung, dass die Grünen bei dieser Tragödie mitspielten, war allgemein sehr groß.
Besonders interessant ist, dass die Regierung die offiziellen Mitteilungen der Republik, die in der „Wiener Zeitung“ erschienen, nicht mehr finanzieren wollte. Gänzlich ungeniert aber unterstützte sie große Boulevardzeitungen vor allem im Wiener Raum großzügig mit Inseraten. Ein Schelm, wer dabei denkt, dass man sich damit gute Berichterstattung erkaufen will. Oder dass man Angst hat, diese auflagenstarken Druckwerke könnten sich in ihrer Berichterstattung gegen die eigene Person oder Partei stellen. Auf der einen Seite also erhöht die Bundesregierung die Gewinne der ohnehin gewinnträchtigen Blätter, auf der anderen lässt sie eine der letzten Qualitätszeitungen buchstäblich verhungern. Einmal ganz abgesehen davon, dass man die älteste Zeitung der Welt nicht einfach aufzugeben, sondern eher unter so etwas wie Denkmalschutz zu stellen hätte.
„Besonders interessant ist, dass die Regierung die offiziellen Mitteilungen der Republik, die in der ,Wiener Zeitung‘ erschienen, nicht mehr finanzieren wollte.“
Dies kann kein Aufruf mehr zur Rettung der „Wiener Zeitung“ sein, es ist nach dem gestrigen letzten Erscheinungstag eher ein Nachruf. Allerdings kein Nachruf in Würde, sondern in großem Zorn gegenüber jenen, die das Aus dieser Zeitung verursacht haben. Unser Mitleid gilt jenen Journalistinnen und Journalisten, die durch diese unfassbare Entscheidung der Regierung ihre hoch qualifizierten Arbeitsplätze verloren haben, unsere Verachtung gilt jenen, die bereit waren, dem Sterben der „Wiener Zeitung“ zuzustimmen. Also der gesamten Bundesregierung.
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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