Eine faszinierende Begegnung

Kultur / 09.07.2023 • 17:50 Uhr
Im ausverkauften Theater KOSMOS steht aber auch diesmal im Mittelpunkt jene Formation „Camerata Musica Reno“, die sich Tobias Grabher quasi selbst auf den Leib geschneidert hat. <span class="copyright">ju</span>
Im ausverkauften Theater KOSMOS steht aber auch diesmal im Mittelpunkt jene Formation „Camerata Musica Reno“, die sich Tobias Grabher quasi selbst auf den Leib geschneidert hat. ju

Tobias Grabher und seine Camerata Musica Reno begeistern mit amerikanischer Moderne.

Fritz Jurmann

BREGENZ Dieses war der sechste Streich, weitere werden folgen vom Altacher Dirigenten Tobias Grabher, den vor gut zwei Jahren noch kein Mensch im heimischen Musikleben gekannt hat. Der junge Teufelskerl mischt derzeit ganz schön die Szene auf und schickt sich an, mit zugkräftigen Programmen und vollen Sälen den Etablierten im Land das Fürchten zu lehren. Sein Projekt Nummer sechs ist wieder völlig neu konzipiert, nach der Literatur mit Köhlmeier wird diesmal der aktuelle Ausdruckstanz mit der Fußacherin Silvia Salzmann als weitere Kunstgattung in die US-amerikanische klassische Moderne integriert. Coplands „Appalachian Spring“ gibt den Titel vor für eine faszinierend unterhaltsame Begegnung der Bewegungen, Farben, Gefühle.

Der junge Teufelskerl mischt derzeit ganz schön die Szene auf.
Der junge Teufelskerl mischt derzeit ganz schön die Szene auf.

Im ausverkauften Theater KOSMOS steht aber auch diesmal im Mittelpunkt jene Formation „Camerata Musica Reno“, die sich Tobias Grabher quasi selbst auf den Leib geschneidert hat – sorgfältig gepflückte Talente der jüngsten Generation im Land, die nur auf ihre Entdeckung gewartet haben. Dabei ist er selbst mit seinen 26 Jahren kaum älter als seine Musiker zwischen 18 und 26, mit denen er auch diesmal stolz Wunderdinge allein an Klangkultur vollbringt. An ihren Gesichtern kann man ablesen, wie konzentriert und zugleich locker sie das, was sie in einer Probenwoche erarbeitet haben, nun umsetzen. Einige haben sich schon profiliert wie etwa die blonde Konzertmeisterin Xenia Rubin mit ihrem feinen Geigenton, die so herrlich in den Applaus hineinstrahlt, Flötistin Laura Moosbrugger, Cellistin Hannah Eberle und viele weitere.

Die Zuhörer zeigten sich begeistert.
Die Zuhörer zeigten sich begeistert.

Sie alle haben sich den besonderen Geist dieser Musik zu eigen gemacht, mit der amerikanische Komponisten den Zeitgenossen aus der Alten Welt etwas Eigenes entgegensetzen wollten und das trotzdem stets etwas nach Cowboys und Western klingt, manchmal auch nach melancholischem „Indian Summer“: Eine auch jugendgemäße Musik, die auf beiden Seiten der Rampe Begeisterung auslöst. „The Unanswered Question“ ist die unbeantwortete Frage, die Charles Ives schon 1906 in den Raum gestellt hat und die der Trompeter Simon Ölz heute bombensicher aus dem Off bläst. Über einem dichten Streicherteppich suchen die vier Holzbläser vergeblich eine Antwort. Da bleibt vieles offen, nur nicht der komplexe Eindruck, den dieses kurze Stück als Ouvertüre hinterlässt.         

Es ist ein Stück Ballettmusik, und so funktioniert nun auch die zusätzliche Komponente mit Silvia Salzmann.
Es ist ein Stück Ballettmusik, und so funktioniert nun auch die zusätzliche Komponente mit Silvia Salzmann.

Das Hauptwerk folgt mit Coplands „Appalachian Spring“ von 1943 in der Fassung für 13 Instrumente. Jeder ist da ein Solist, dessen Name auch im Programm abgedruckt ist, jeder für das Ganze mitverantwortlich. Wunderbar, wie gelassen und überzeugend diese Youngsters das spielen, mit besonderem Schwung den traditionellen Shaker-Song „Simple Girl“ als finaler Gassenhauer. Ihr Chef wächst von Mal zu Mal an seinen Aufgaben, koordiniert alles mit großer Ruhe und Überlegenheit, fordert seine Musiker zu feinsten klanglichen Regungen und einen kräftigen Griff in den Farbtopf. Es ist ein Stück Ballettmusik, und so funktioniert nun auch die zusätzliche Komponente mit Silvia Salzmann, der in Wien ausgebildeten Tänzerin, die Soloauftritte liebt, dazu ihre eigene Choreografie mit dem Titel „simple“ umsetzt und die musikalische Handlung kommentiert, ohne von ihr abzulenken. Die Anforderung ist enorm, als Einzelkünstlerin eine Geschichte zu erzählen, an der vier Personen beteiligt sind. Mit großer Ausdruckskraft und einem reichen Repertoire von darstellerischen Möglichkeiten gelingt ihr eine emotional aussagekräftige Deutung. Entspannung bringt zum Schluss ein Standard von Hitfabrikant George Gershwin, sein „Lullaby for Strings“ in der vollen 20-köpfigen Besetzung. Ein weiterer interessanter Aspekt auf diesem „Way of American Music“, den die Zuhörer mit zunehmender Begeisterung eine knappe Stunde lang mitgegangen sind.

Weitere Aufführung: 10. Juli, 19.30 Uhr, St. Gallen, Lokremise